Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
Vom Netzwerk:
aufzunehmen, ohne Fertigkeiten, ohne Silbermünzen, ohne Familie mit Geschäftskontakten, dann würde er sich aus ganzem Herzen dafür einsetzen, ihr zu Gefallen zu sein.
    Bergmädchen sind stark
Und Flussmädchen sind hübsch.
    Erst um den Hof, dann runter zu den Docks. Seine Füße klatschten auf die harten Steine der Straßen und glitten über den morgendlichen Tau.
    Doch Turvitemädchen sind noch netter
Zu einem schlauen Jungen aus der Stadt …
    Er lief zu dem Rhythmus von Turvite Girls , einem ausgelassenen Trinklied. Wie er festgestellt hatte, erfreute sich das Lied unter den Turvitefrauen selbst der größten Beliebtheit. Der Rhythmus ließ ihn so schnell laufen, dass er zu schwitzen begann, aber auch nicht so schnell, dass er außer Atem geriet.
    Er bog um die Ecke und stampfte auf die dröhnenden Holzplanken der Docks. Die Fischerboote waren noch nicht wieder zurückgekehrt. Die Maste der Handelsschiffe hoben sich von den grauen Wolken ab, und die Wanten rasselten an den Mastkörben wie Würfel in einem Becher. Hinter ihnen ragten die Hügel in den Himmel und bedeckten die Hälfte des Horizonts.

    Die Stadt Turvite befand sich in einer schroffen Felsbucht. Ihre Häuser waren in Reihen übereinander an den Fels gebaut und erhoben sich im Halbkreis über dem Hafenbecken. Unten, in der Nähe des Hafens - eingetaucht in die Gerüche von Fischabfällen, verfaultem Schlamm und Bilgewasser - waren die Häuser aus Holz oder Flechtwerk hergestellt, unter ihnen standen vereinzelt Gasthöfe aus braunem Backstein.
    Ash schaute sich um und blickte hinauf zu Doronits Haus. Er fragte sich, was sie wohl gerade tat, mit wem sie sich traf. Ihr Haus war eines der weiß angestrichenen, auf halber Höhe liegenden Backsteingebäuden, mit Balkon zur Straße hinaus. Weiter oben, auf den höchsten Lagen, befanden sich die goldgelben Steinvillen, umgeben von prächtig bepflanzten Gärten.
    Unten am Hafen hielt er einen Moment inne, um Atem zu schöpfen, bevor er den langen Anstieg begann. Dies war die beste Tageszeit in Turvite, die einzig ruhige. Die Möwen waren fort, um den Fischerbooten hinterherzujagen, und das einzige Geräusch war das Ächzen des Windes in der Takelung.
    Denn Carlionmädchen mögen Pökelfleisch
Und Pisaymädchen mögen Bullen,
Aber Turvitemädchen mögen Stadtjungen,
Die ihnen das Honigtöpfchen füllen.
Flickschuster und Schniedel und Seemänner
wissen es.
Ja, die Burschen sind sich einig,
Bessere Mädchen gibt es in der großen, großen
Welt nicht.
Für mich muss es ein Turvitemädchen sein.
    Er erinnerte sich daran, seine Mutter gefragt zu haben, warum alle über den Refrain lachten - er musste fünf oder sechs gewesen sein. Sie hatte gesagt, die Worte seien einfach witzig, und deshalb lachten die Leute. Erst etwa mit zwölf fand er heraus, was »die Seemänner wussten«. Schon mit fünf hatte er geahnt, dass es da noch eine andere Bedeutung geben musste, und er hatte es sich gedanklich zurückgelegt, entschlossen, die Wahrheit herauszufinden. Als er es endlich begriff, verspürte er eine große Befriedigung. Doronit sagte, nur die wahrhaft Entschlossenen überlebten, doch den Unterschied zwischen »entschlossen« und »wahrhaft entschlossen« kannte er nicht. Er würde ihn wohl noch herausfinden.
    Zum ersten Mal war er als Kind nach Turvite gekommen. Sie waren natürlich zum Hafen gegangen, um eine Unterkunft zu finden; in der Altstadt wurden Wanderer zwar nicht gerade willkommen geheißen, aber geduldet. Als sie auf der Hauptstraße, welche die Stadt in zwei Hälften teilte, die Anhöhe hinabgekommen und von den reicheren zu den ärmeren Vierteln gelangt waren, war Ash überwältigt gewesen vom Lärm und dem regen Treiben: fliegende Händler, die lautstark ihre Waren anpriesen, Schlepper, die den Namen von Läden und Brauereien ausriefen, beladene Fuhrwerke und Handkarren, die über das Kopfsteinpflaster rumpelten, und schließlich, über ihm, die Nachbarn. Diese standen auf den Balkonen, die in der Mitte der Straße fast aufeinandertrafen, und tauschten über die zwischen ihnen zum Trocknen aufgehängte Wäsche hinweg Tratsch aus. Unten am Hafen hatte es noch mehr zu staunen gegeben: Rufe und Pfiffe der Schiffsbelader, das klatschende Geräusch der gegen die Holzdocks schlagenden Wellen, und vor allem, der Hintergrundton einer wirren Melodie, das Kreischen der Möwen. Noch Tage nach ihrer Ankunft hallte es ihm in den Ohren nach.

    An jenem ersten Tag, unten am Hafen und nahe den

Weitere Kostenlose Bücher