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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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angesehen.«
    Sein Vater war verstummt und hatte sich aus Müdigkeit oder Unsicherheit mit der Hand über den Kopf gefahren.
    »Mir macht es nichts aus«, hatte Ash gesagt. »Es gab schon Momente, in denen ich mir gewünscht hätte, zu wissen, wie man kämpft.«
    Seine Mutter hatte genickt. »Das ist wahr. Für einen Wanderer gibt es immer wieder Momente, in denen es gut wäre, zu wissen, wie man kämpft.«

    Sein Vater hatte ihn angestarrt. »Wenn du kämpfst, werden sie dich töten.«
    »Es gibt Schlimmeres als den Tod«, hatte seine Mutter entgegnet.
    Diese Bemerkung hatte seinen Vater zum Lächeln gebracht, jenes breite, verwunderte Lächeln, das er nur ihr schenkte.
    »Sie hätten dich nicht Swallow wie Schwalbe, sondern Hawk wie Falke nennen sollen«, hatte er gesagt und ihr einen Kuss gegeben.
    Am nächsten Morgen waren sie in aller Frühe zu Doronits Haus gegangen, das auf halber Höhe an der Durchfahrtstraße lag, die in die vornehmsten Viertel der Stadt führte. Es war ein Backsteingebäude, das blassgelb gestrichen worden war, um die goldgelben Steine der Reichen zu imitieren. Sie waren beeindruckt gewesen. Mittlerweile wusste Ash jedoch, dass Doronit sehr sparsam lebte, um ganz oben wohnen zu können, in einer der massiven Steinvillen.
    Sie war selbst an die Tür gekommen, um ihnen aufzumachen, gekleidet wie die meisten Frauen in der Stadt: weite, in die Stiefel gesteckte Beinkleider, ein weicher Dreiviertelrock über dem Oberteil, und unter einem wollenen Umhängetuch auf den Schultern trug sie ein schlichtes Hemd. Ihre Kleider hatten unterschiedliche Grüntöne. Es war eine bescheidene, zweckmäßige, beruhigende Kleidung. Sie sollte ihm das Gefühl vermitteln, in einem anständigen, beruhigenden, soliden Unternehmen um Arbeit zu ersuchen.
    Aber er war damals neunzehn gewesen und hatte daher durch die Kleidung hindurch auf den Körper darunter geschaut, der rund und üppig und verheißungsvoll war; er hatte das Gesicht angeschaut, den roten Mund, ja sogar die Zähne und die langen, dunklen Wimpern, und in den
saphirblauen Augen hatte er etwas gesehen, das weder anständig noch beruhigend war. Ihre Blicke trafen sich, und er sah, wie sich ihre Augen weiteten, aber ihm hatte es den Atem verschlagen. Er war sich nach wie vor nicht sicher, ob es schlichtweg Verlangen oder etwas anderes gewesen war, etwas wie die Anspannung, die er verspürte, wenn er vor den Altären der Götter kniete. Verlegen hatte er gehustet und sich ein wenig abgewandt, war von einem Bein auf das andere getreten, und aus den Augenwinkeln heraus hatte er gesehen, dass sie ihn amüsiert anlächelte. Er hatte einen Narren aus sich gemacht und war rot geworden. Hatte geglaubt, dass sie ihn nie annehmen würde. Plötzlich hatte er sich danach gesehnt, für sie zu arbeiten, sich ihr gegenüber zu beweisen, diesen ersten Eindruck von Unbeholfenheit und jugendlicher Dummheit zu widerlegen. Er war seinen Eltern tagelang gefolgt, um eine Stelle zu finden, weil er seinen Lebensunterhalt verdienen musste, weil er sie verlassen musste, weil es für ihn unterwegs keinen Platz gab. Es war ihm gleichgültig gewesen, als was er arbeiten würde, wenn er keine Musik machen konnte. Aber die Stelle bei Doronit hatte er unbedingt gewollt.
    Sein Vater hatte erklärt, dass sie bestrebt waren, Ash in die Lehre zu geben. Ash war sich erneut ihres taxierenden Blickes bewusst geworden, dem ein Lächeln folgte. Dieses Mal jedoch war das Lächeln von Freude geprägt gewesen, nicht von Belustigung.
    »Komm herein«, hatte Doronit gesagt, und ihre Stimme hatte dabei so betörend geklungen wie eine Tenorflöte. »Es wäre mir ein Vergnügen, diesen jungen Mann anzulernen.«
    Von diesem Augenblick an hatte er sich der Aufgabe gewidmet, ihren Wünschen zu entsprechen.

    Doronit führte ein kompliziertes Unternehmen, dessen einfachster Teil die Vermietung von Schutzwachen an Händler war. Für Händler waren Schutzwachen so wichtig wie ihre eigenen Angestellten. Sie dienten dem Schutz derjenigen, die bedroht wurden, überwachten wertvolle Frachtsendungen von einer Stadt zur anderen oder standen einfach nur furchteinflößend dabei, wenn große Summen Geld den Besitzer wechselten. Im Gegensatz zu den eigenen Angestellten benötigten Kaufleute sie nicht jeden Tag, wollten sie jedoch auch nicht von der Straße weg oder aus den Tavernen heraus engagieren. Daher hatte Doronit eine Nische erkannt und bot eine Dienstleistung an, nämlich Schutzwachen nur dann zur Verfügung zu

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