Die Prophezeiung der Steine
kommt Witwe Farli beim Töpfer raus, wirft mir, die ich von einer Seite auf die andere taumele, einen Blick zu, ruft ›Die Fallsucht, die Fallsucht!‹ und rennt los, um den Dorfsprecher zu holen. Also habe ich mich aufgerichtet - und glaubt mir, jede Bewegung hat mir wehgetan -, und als sie den Sprecher dann herbeigezerrt hat, damit er einen Blick auf mich werfen kann, spaziere ich in aller Seelenruhe wie eine junge Dame daher und lächele das arme, irre Ding nur freundlich an. Dann wendet er sich ihr zu, als wäre sie krank, und sie wird sauer wie nur was und sagt: ›Schau mich nicht in diesem Ton an!‹«
Maryrose konnte sich kaum halten vor Kichern, und ihr Weberschiffchen geriet auf halbem Weg an der Kette ins Stocken. Merrick schüttelte lächelnd den Kopf, während er an einem Stück süßlich riechendem Zedernholz hobelte. Bramble war glücklich, einfach nur glücklich, aber es war das Glück, das man empfand, wenn man sich einer schönen Erinnerung hingab oder wenn ein Geist in Erinnerung an das Leben lächelte, das vorbei war.
Während sie für ihre Abreise packte, brachte ihr Merrick ein Geschenk, ein Paar Pferdetaschen, die man auch ohne Sattel benutzen konnte.
Gerührt gab sie ihm einen Kuss auf die Wange. »Danke, Ric.«
Sie packte die beiden Taschen gleichmäßig - auf der einen Seite ihre Ausrüstung, die andere war Futter, Fußfesseln und Striegel des Rotschimmels vorbehalten, die sie auf dem Markt in Carlion erworben hatte. Schließlich hängte sie sie
ihm über den Widerrist. Auch er brannte darauf, loszuziehen, das spürte sie.
Sie gab den beiden einen Abschiedskuss, umarmte Maryrose mehrmals und benutzte dann die Aufstiegshilfe im Hof, um auf den Rotschimmel zu kommen. Sie setzte ein entschlossenes Grinsen auf, lenkte den Rotschimmel durch das Tor und machte sich auf den Weg. Es war ein wunderschöner Morgen, die Möwen kreisten am Himmel, und es wehte eine frische, salzige Brise. Bramble spürte sie nicht wirklich; sie hatte vielmehr das Gefühl, als sei nur ihr Körper gegenwärtig, nicht aber ihre Seele.
Nach etwa drei Viertel des Weges den Hügel hinauf, auf dem Carlion lag, kam sie an einem Haus vorbei, vor dessen Tür ein roter Lederbeutel hing, der anzeigte, dass hier ein Steinedeuter wohnte. Sie ritt erst daran vorbei, hielt den Rotschimmel dann jedoch an und kehrte um. Wissen war besser als vermuten, dachte sie.
Sie legte dem Rotschimmel einen losen Riemen um den Hals, sodass jeder, der vorbeikam, glauben musste, das Pferd sei an den Fußabstreifer vor der Tür gebunden, und klopfte an.
»Herein, herein«, beschied ihr eine schroff klingende Stimme.
Sie trat in einen rechteckigen Raum mit grünen Wänden und weißer Decke, dessen einziges Mobiliar aus einem dunkelblauen Teppich bestand. Auf diesem saß ein Mann mittleren Alters. Er fuhr mit den Fingern durch einen Lederbeutel, der den gleichen Rotton aufwies wie der draußen hängende. Ob er Wanderer war oder dem Volk von Acton angehörte, vermochte Bramble nicht zu sagen, da er eine Glatze hatte und die Augen auf den Beutel richtete.
»Setz dich, Mädchen, setz dich«, sagte er.
Sie nahm im Schneidersitz Platz und spuckte sich in die
linke Handfläche. Der Steinedeuter tat es ihr nach, und sie legten ihre Hände ineinander.
»Willst du deine Frage laut aussprechen?«, fragte er, als wäre ihm das eine so recht wie das andere. Bramble wusste, dass das Ergebnis umso klarer ausfallen würde, je genauer die Frage lautete, und dachte daher sorgsam nach.
»Was ist mit mir während des Sprungs über den Abgrund passiert?«
Diese Worte ließen den Steinedeuter aufschauen, doch sein Blick verriet ihr nichts. Seine Augen waren nichts sagend - nicht blau, nicht braun, nicht grün -, sondern schienen je nachdem, was er anschaute, ihre Farbe zu verändern.
Er holte die Steine hervor, warf sie auf den Teppich und schaute auf sie hinunter.
»Tod«, sagte er. »Schicksal. Befreiung. Alle mit dem Gesicht nach oben. Geist, Gesicht nach unten. Und Verwirrung.«
»Was bedeuten sie?«
Er legte seinen Kopf zur Seite, als lausche er, wie es, das wusste sie, auch andere Steinedeuter taten. Es hieß, die Steine sprächen zu ihnen, doch bei einer Steinedeutung hatte sie noch die Gegenwart der Götter gespürt.
Der Steinedeuter setzte sich aufrecht und ließ ihre Hand los. »Sie sagen, dass du gestorben bist«, erklärte er. »Dass es Zeit für dich war zu sterben und dass du gestorben bist. Dein Geist hätte zur Wiedergeburt schreiten
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