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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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fort. Ash brachte ihr mittlerweile Geld ein, da er als Schutzwache im Zunfthaus fungierte. Dennoch verwandte sie nach wie vor einen Teil des Tages auf seine Ausbildung. Sie lehrte
ihn Gifte oder ihre Gegengifte zusammenzubrauen, Stockkampf und Messerwurf, Nahkampf, das System von Pfiffen, über das alle Leute von Doronit kommunizierten (sonderbarerweise konnte er diese aus zwei Noten bestehenden Signale leicht pfeifen, während er die gleichen Noten nicht singen konnte), sowie Zahlen und Rechnen.
    »Lass dich nie von einem Kunden betrügen«, sagte Doronit, während sie ihm zeigte, wie man mit Schiefertafel und Kreide umging. »Schützen kannst du dich nur davor, indem du schneller rechnest als er.«
    Ash verdrängte alle Gedanken an das Töten. Er war eine Schutzwache. Es war ein ehrbarer Beruf, vielleicht nicht bedeutend, doch anständig. Er verbrachte nun immer mehr Zeit außer Haus. Aylmer nahm ihn in die Gasthäuser mit, in denen der Met stark und die Musik laut war, und dort begegnete er jungen Männern, die als Schutzwache für andere Häuser arbeiteten. Einer von ihnen war Dufe, jene Schutzwache, die sich in dem Jahr, bevor Ash nach Turvite gekommen war, von Doronit getrennt hatte.
    Dufe stammte aus dem Süden, war dunkelhäutig, hatte leuchtend braune Augen und wunderschöne Hände. Während Ash neben ihm in dem verräucherten, lauten Wirtshaus saß, empfand er die gleiche Herzklopfen verursachende Verwirrung, die er verspürte, wenn Doronit ihn berührte, vor allem als Dufe sich über ihn beugte, um der Kellnerin einen Krug Met abzunehmen, und dabei eine Hand auf seinem Schenkel ruhen ließ.
    Als er Ashs errötetes Gesicht sah, grinste Dufe. »Wie alt bist du, junger Mann?«, fragte er.
    »Gerade zwanzig geworden.«
    »Du siehst jünger aus. Doronit nimmt gerne junge Männer auf, nicht wahr? Je jünger, desto besser. Diese Frau besitzt überhaupt keine Moral.«

    Sofort fühlte sich Ash beleidigt, und seine Hand fuhr zum Dolch.
    Dufe lachte ihn aus und hob die Hände. »Nein, nein, deswegen werde ich nicht mit dir kämpfen. Wenn man so will, ist sie die perfekte Frau.« Er stand auf und leerte seinen Krug. Er ließ die Hand auf Ashs Schulter fallen und beugte sich vor. »Ein Ratschlag. Vergnüge dich ein bisschen fern der alten Frau. Such dir ein nettes junges Mädchen, das so ist wie du selbst. Doronit wird dir Stück für Stück das Herz herausreißen, und das tut sie so gerissen, dass du nicht einmal merkst, wenn es weg ist.«
    Er verstärkte den Griff um Ashs Schulter, dann war er verschwunden. Aylmer kehrte von der Kellnerin zurück, mit der er sich unterhalten hatte, und grinste ihn an. »Dufe ist weg? O ja, er hat eine schöne, warmherzige Frau, zu der er nach Hause gehen kann. Nicht, dass er das häufig täte. Er ist einer, der das Leben auskostet.«
    »Mmmm.« Ash war sich nicht sicher, ob er wütend oder besorgt über Dufes Worte sein sollte. Er schüttelte ihre Wirkung ab und bestellte sich einen weiteren Met.
    »Dufe hat ein gutes Herz«, sagte Aylmer heiter. »Deswegen sind er und Doronit nie miteinander ausgekommen. Er war schon fertig ausgebildet, als er aus dem Süden hierherkam. Sie hat ihn zwar eingestellt, aber er ist bloß einen Monat lang geblieben. Er hält sich an strenge Regeln … außer, wenn es ums Bumsen geht.« Er kicherte. »Was ich dir über diesen Mann für Geschichten erzählen könnte!«
    Ash ging allein nach Hause. Aylmer war mit der Kellnerin in den ersten Stock gegangen. Ash wusste nicht, ob er ihn beneiden sollte oder nicht. In der Stille und Dunkelheit hoben sich die Geister stärker ab als sonst, blasse Gestalten, die sich in der Nähe von Türeingängen scharten oder ziellos durch die Nacht gingen. Sie nickten ihm zu, als er sie passierte,
und er erwiderte die Geste. Sie schienen so stofflich zu sein wie er. Vielleicht waren sie es ja auch. Vielleicht war er selbst unwirklich. Vielleicht war nichts so, wie es schien, Doronit eingeschlossen.

    Am Vorabend der Wintersonnenwende schlossen die Turviter die Fensterläden, zogen Abdeckhauben über die Lampen und Schutzschirme um die Feuer, um die leuchtenden Farben ihrer Wände zu dämpfen, und setzten sich ins Stockdunkle, um den Tod zu proben. Gemeinsam trugen die jüngste und die älteste Person im Haus die Prophezeiung der Wintersonnenwende vor, und dann wurde die Tür den Geistern geöffnet. Die Geister traten ein, wie es ihnen beliebte. Und wenn sie wollten, legten sie die Hand hier auf den Kopf eines Mannes, dort

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