Die Prophezeiung der Steine
erzählte, die Herrschaft übernommen, indem er die Tochter
des alten Kriegsherrn, Lady Sorn, ehelichte. Seine alte Domäne im Norden, die ein Sohn aus einer früheren Ehe für ihn verwaltete, behielt er nach wie vor. Das war ungewöhnlich. Bramble fragte sich, ob die anderen Kriegsherren glücklich damit waren, oder ob der lange Frieden, der den Domänen in den vergangenen Jahren den Wohlstand gesichert hatte, in Gefahr war.
Die Kellnerin, die ihnen von Thegan erzählte, sprach mit einer Mischung aus Bewunderung und Vorsicht und war darauf bedacht, ihn nicht direkt zu kritisieren. Dies und die Galgen sagten Bramble alles, was sie über ihn wissen wollte. Sie und Gorham hatten alle Pferde des alten Kriegsherrn ausgebildet, aber sie vermutete, dass sie sich in Zukunft nach anderer Kundschaft umschauen würden. Ihr tat das Mädchen, das der Kriegsherr zu seinem Vorteil geheiratet hatte, irgendwie leid. Doch schon bald richteten sich ihre Gedanken wieder auf das vor ihnen liegende Rennen.
Die meisten Jagdbeuten waren erfahrene Rennreiter, und es galt als Ehre, wenn der Kriegsherr oder der Stadtrat einen bat, dem Feld vorzustehen. Innerhalb vorgegebener Begrenzungen konnte die Jagdbeute sich den Streckenverlauf aussuchen, alle Hindernisse kombinieren, die Richtung vorgeben, kehrtmachen oder voranpreschen. Einige Jagdbeuten warteten bis zum Rennen, bis sie die Strecke festlegten, lie ßen sich von einer Laune leiten, während andere den Verlauf minutiös planten, heimlich, damit ihre Strecke die anspruchsvollste wurde.
Von dem Spektakel als solchem abgesehen, wurde das Jagdrennen meist als Mittel genutzt, um gute Blutlinien für die Kurierpferde des Kriegsherrn zu erkennen, und außerdem für Wetten. Erste Jagdbeute im Frühling war immer der jüngste nur mögliche Reiter, als Glücksbringer, die neugeborene Erde verkörpernd. Und vielleicht auch, dachte
Bramble, stets misstrauisch, um den Reitern die beste Chance zu bieten, die Jagdbeute zu erwischen, was der Stadt eine wiedergeborene Jagdbeute bescherte und Glück verhieß. Vielleicht aber auch nicht. Die wiedergeborene Jagdbeute war Stoff von Gesprächen am Feuer und Märchen zum Schlafengehen; es hatte seit mehr als dreißig Jahren keine mehr gegeben.
Das erste Frühjahrsrennen war häufig gefährlich, da eine junge, unerfahrene Jagdbeute eine schlechte Strecke auswählen und Hindernisse aussuchen konnte, die zwar in Ordnung waren, wenn man allein ritt, aber zu Todesfallen wurden, wenn drei oder vier Pferde auf einmal sprangen.
Bramble versuchte, alle nur möglichen Strecken zu berücksichtigen, aber dies war unmöglich. Daraufhin beschloss sie, sich auf ihren Instinkt zu verlassen, den Rotschimmel sofort an die Spitze zu bringen und dort zu bleiben. Sie war felsenfest davon überzeugt, dass er schneller sein würde als alle anderen, und er war es gewohnt, allein zu springen. An der Spitze zu bleiben würde sie vor den hinterhältigen Taktiken der erfahreneren Reiter schützen. Erfahren war sie zwar nicht, aber dafür wild entschlossen, zu gewinnen.
Am Morgen des Rennens war sie so aufgeregt, dass sie nichts essen konnte und so gut wie nicht redete. Der Nebel umgab sie nach wie vor, und sie wollte das Rennen - die Sprünge, die Geschwindigkeit, die Gefahr -, um wieder zurück ins Leben befördert zu werden, und sei es nur für die Dauer des Rennens. Während sie beim Frühstück aufsattelte und dann mit Gorham zum Startpunkt ging, beriet dieser sie in Fragen der Strategie. Sie nickte, hörte aber gar nicht, was er sagte. Das Einzige, was sie wahrnahm, war der Rotschimmel an ihrer Schulter. Sie lächelte Maude und Gorham an und machte sich dann daran, ihr Halstuch abzuholen. Es war leuchtend blau, eine gute Farbe, eine Glücksfarbe.
Sie band es sich um und schwang sich in den Sattel. Die anderen Reiter taten es ihr gleich, wobei sie sich anrempelten und beschimpften. Bramble warfen sie schiefe Blicke zu. Zwar ritten häufig Frauen bei den Rennen mit, aber diese hier, die mit ihrem schwarzen Haar und ihren schwarzen Augen aussah wie eine Wandrerin, hatte keiner von ihnen zuvor gesehen. Nicht kräftig genug, dachten die meisten, nicht genug Muskeln, nicht genug Mumm wahrscheinlich, mochte ihr Pferd auch fit genug aussehen … zu kräftig für ein Mädchen. Einigen fiel ihre entschlossene Miene auf, was ihnen vorübergehend Zweifel bescherte. Sie verdrängten diesen und konzentrierten sich auf ihre eigenen Reittiere, die ausgeruht waren und nun unruhig auf den
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