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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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mitgenommen, und er musste wissen, welcher es war.
    Er musste an Dufes bissige Bemerkung denken: »Sie hat überhaupt keine Moral …« War das hier moralisch? War es falsch? Hatten die Toten nicht das Recht, ihre Geheimnisse zu bewahren? Man konnte sie doch nicht verletzen, oder? Er versuchte, sich davon zu überzeugen, dass sie beide niemanden verletzten, aber es fiel schwer, daran zu glauben, wenn man ihre Gesichter betrachtete und sah, wie sehr sie es verabscheuten, ihre Geheimnisse preiszugeben. Geheimnisse mit ins Grab zu nehmen war vielleicht das Einzige, was in der Macht der Toten stand, und Doronit nahm sie ihnen weg.
    Doronits Stimme wurde schwächer. Er erkannte, dass sie sowohl ihren Willen als auch ihre Stimme geltend machte, dass es ihre Stärke war, die den Geistern ihre Bekenntnisse abrang. Sie stützte sich bei ihm ab, während die Geister fortfuhren. Endlich, als immer noch zwanzig oder mehr Geister übrig waren, um zu reden, schüttelte sie den Kopf.
    »Das war es für mich«, sagte sie. »Du bist dran, Ash.«
    Ungläubig starrte er sie an. »Ich?«
    »Natürlich, Liebster. Deshalb habe ich dich doch mitgenommen. Meinst du, ich hätte es nicht gewusst? Nach der Ghost Begone Night? Jeder zweite Geist in der Stadt hat mir deinen Namen genannt.«
    »Ich kann nicht …«
    » Kannst nicht ?«, sagte sie. »Wofür, meinst du, habe ich dich ausgebildet?« Sie richtete sich auf. Er sah ihr Gesicht zwar nur in dem matten Licht, das von den Geistern reflektiert wurde, merkte aber, dass sie wütend war. »Warum, glaubst du, habe ich dich deinen Dummköpfen von Eltern abgenommen, die nicht erkennen konnten, was sie da in
der Hand hatten? Warum habe ich dir Kost und Logis gewährt und - ja - dich die ganze Zeit dabei geliebt ? Hierfür, Dummchen. Und jetzt sagst du mir, du kannst es nicht?«
    »Ich …« Sie liebt mich, sie sagt, dass sie mich liebt . »Aber …«
    Sie änderte ihren Tonfall. »Liebster, mein Liebster. Aus diesem Grund habe ich Erfolg, deshalb kann ich die Preise nehmen, die ich ansetze. Nur deshalb lächelt mich der Stadtdirektor auf der Straße an. Ich weiß alles . Ich könnte dieses Wissen missbrauchen, aber ich tue es nicht. Ich erpresse niemanden, enthülle keines dieser Geheimnisse. Doch zu meinem eigenen Schutz und auch zu deinem, dem von Aylmer, Hildie und all den anderen muss ich es wissen. Ich bin erschöpft, ich habe keine Kraft mehr. Ich brauche deine Hilfe. Jetzt.«
    Er zögerte immer noch.
    Sie holte Luft. So gut ausgebildet, wie sie es gedacht hatte, war er nicht, aber er konnte noch auf Vordermann gebracht werden.
    »Wenn du es nicht tust«, sagte sie langsam, »bist du wertlos für mich. Ich habe ein halbes Dutzend, die besser mit dem Messer und beim Stockkampf sind. Ich habe dich gern, Liebster, aber ich kann mir dich nicht leisten, wenn du dich nicht bezahlt machst.«
    Sie beobachtete, wie ihre Drohung Wirkung zeigte und ihn seiner Sinne beraubte. In seiner Fantasie stellte er sich vor, auf der Straße zu leben. Zu seinen Eltern konnte er nicht zurück. Er hatte geglaubt, gut mit dem Messer und beim Stockkampf zu sein, aber was wusste er schon? Ohne sie …
    » Redet«, sagte er und hörte zu, während sich ihm vor Scham der Magen umdrehte.

    Ash saß auf der Bettkante und ließ die Hände über die Knie baumeln. Mein Zimmer , dachte er, das erste, das ich je hatte. Mein Bett. Er schaute sich um. Ein Kleiderschrank mit mehreren Garnituren sorgsam gefalteter Kleider, warme, rote Decken, eine Laterne auf dem Tisch, ein Krug mit dazugehörigen Bechern aus Ton, zwei Paar Stiefel und ein Paar Abendschuhe … Alles seins. Die Backsteinwände waren meergrün gestrichen und mit einer blauen Bordüre abgesetzt. Die Fensterläden waren massiv und schlossen dicht ab. Selbst an diesem Abend mitten im Winter war es nicht eisig kalt. Das Zimmer glühte. Es fühlte sich an wie ein Zuhause.
    Als Ash sich vorstellte, draußen zu sein, obdachlos und verlassen, fing er an zu zittern. Immerhin waren die Geister tot, überlegte er. Doronit verletzte sie nicht. Und sie hatte gesagt, dass sie die Informationen nie missbrauchte. Daran klammerte er sich, obschon er wusste, dass es eine Lüge war und sie zu ihrem Vorteil ihr Wissen auf jede ihr mögliche Art einsetzen würde. Dennoch erlaubte er sich nicht, darüber nachzudenken. Das war sein Zuhause, Doronit war die einzige Familie, die er hatte, er musste ihr vertrauen.
    In dieser Nacht schlief er schlecht, aber am Morgen stand er auf und ging wie

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