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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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das alles wissen?«, protestierte er. »Ich will doch niemanden vergiften.«
    Sie lächelte ihn von oben herab an, sodass er sich erneut wie ein Kind vorkam. Er war so leicht zu durchschauen, so leicht zu manipulieren; es versetzte sie in Hochstimmung wie süßer Wein. Ihn Schritt für Schritt an Intrigen und Raffinesse heranzuführen war zu ihrer Lieblingsbeschäftigung geworden und ähnelte der Anfertigung eines nützlichen Werkzeugs.
    »Natürlich musst du das nicht, Liebster«, sagte sie und ließ dabei ihre Stimme ruhig und warm klingen, wie gegenüber einem Kind. »Aber jemand könnte dich vergiften wollen. Du musst wissen, wonach du Ausschau halten, auf welche Gerüche du achten musst, musst die Wirkung erkennen. Bei den langsamer wirkenden Giften kannst du dich möglicherweise noch retten, wenn du früh genug erkennst, was passiert. Komm schon, sei kein Dummchen.«
    Ganz wie ein Dummchen wirkend und ebenso hinrei ßend, setzte er sich neben sie an die Werkbank in ihrem Keller und untersuchte die Kräuter, die sie vor ihm ausgebreitet hatte.

    »Maiglöckchen«, sagte sie und berührte dabei die Blätter und roten Beeren. »Die gelben Blätter wirken am stärksten. Sie müssen ganz trocken aufbewahrt werden, sonst werden sie schimmelig und verlieren ihre Kraft. Es bewirkt Herzstillstand, wie Fingerhut auch. Manche verwenden es als Medizin.«
    Und so machte sie weiter: Herbstzeitlose, Schöllkraut, weißer Nieswurz, Mistel sowie seltenere Pflanzen wie gelbes Adonisröschen und Schwarzdorn.
    »Und was Raute angeht«, sagte sie, »verwenden die meisten zwar die Blätter, aber ich habe festgestellt, dass die Stiele genauso wirksam sind …« Sie tat so, als habe sie damit einen Irrtum nachgewiesen und schaute ihn an, um zu sehen, ob er aufgepasst hatte. Sie musste ihn vorsichtig manipulieren, durfte ihn nicht allzu sehr schockieren, jedenfalls mit nichts, was er für unentschuldbar halten würde. »Nicht für Gift, natürlich, Liebster. Aber … nun, du bist ja alt genug, um die Wahrheit zu kennen, nicht wahr? Wenn eine junge Frau sich eines Kindes in ihrem Leib entledigen möchte, dann kommt sie vielleicht zu mir oder zu einer anderen Kräuterkundigen, und dann könnten wir ihr einen Rautentee geben. Verstehst du? Es ist gefährlich für sie und auf jeden Fall unangenehm, aber manchen Mädchen ist es das Risiko wert.«
    Es klang einleuchtend, und falls er bei einer Kräuterkundigen nachfragte, würde er feststellen, dass Raute genau für diese Zwecke verwendet wurde. Sie erkannte den vorübergehenden Argwohn in seinem Blick, rückte näher an ihn heran und legte ihre Hand auf die seine. »Was denn, Liebster, bist du nun doch noch schockiert? Haben dir deine umherziehenden Eltern denn nicht die Wahrheit über das Leben erzählt? Oder haben sie nicht gewusst, dass man Fehlgeburten herbeiführen kann?«

    Betroffen stand Ash auf und entzog ihr seine Hand. »Wenn sie das hätten, wäre ich nicht hier«, sagte er. »Das hat mir meine Mutter einmal erzählt. Sie hat versucht, meinen Vater davon zu überzeugen, dass es für sie beide nicht gut wäre, sich mit einem Kind zu belasten. Aber er meinte, sie müssten die Folgen ihres Handelns tragen.«
    »Aha, sie wollten dich also nicht. Was für Dummköpfe.« Vor Erregung beschleunigte sich Doronits Herzschlag. Da war es, das Band, das sie an ihn binden würde: gewünscht zu werden. Geschätzt zu werden. Am richtigen Platz zu sein. Vermutet hatte sie es schon, nun war sie sich endlich sicher. Sie stellte sich neben ihn und strich ihm mit der Hand über den Arm, sodass sein Ellbogen ihre Brüste berührte. »Ich weiß dich zu schätzen«, sagte sie. »Und jetzt gehörst du zu mir.«
    Ash schluckte den Kloß in seiner Kehle hinunter. Es stimmte. Er gehörte zu ihr. Wer sonst würde ihn haben wollen? Er war zu nichts nutze, das wussten alle. Außer Doronit. Doronit hatte ihn seinen Eltern freudig abgenommen.
    »Ich werde dich nicht enttäuschen«, sagte er und wagte es zum ersten Mal, den Arm um sie zu legen.
    »Das weiß ich«, sagte sie. Zärtlich strich sie ihm über die Wange. Dann zog sie sich zurück und setzte sich wieder auf die Bank. »So, und nun Arnika«, sagte sie munter und ließ ihn wieder einmal wie einen Narren stehen. »Es wird häufig verwendet, weil es keinen Verdacht erregt, wenn man es in deinem Gepäck findet. Man benutzt es für viele andere Sachen …«
    Die Ausbildung setzte sich während der kürzer werdenden Herbsttage und an den kühlen Abenden

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