Die Prophezeiung des Adlers
Vorabend einer Reise.«
Der Anwerber kratzte sich geistesabwesend am Hintern. »Ich würde nicht wieder zur See fahren, nicht einmal für gutes Geld. Na ja, vielleicht für wirklich gutes Geld … Das Meer ist ein launisches Biest.«
Cato zog die Augenbrauen hoch. »Sehr bildhaft. Wenn ich recht verstehe, hattest du etwas mit dem Meer zu tun. Dein Beruf? Warst du vielleicht Matrose?«
»Matrose, genau.« Laecus blickte zu den Sternen auf und schauderte zusammen.
»Warum hast du den Beruf aufgegeben?«
»Mir liegt zu viel am Leben. Das heißt, mir liegt zu viel am Wein, um vom Leben zu lassen. Das Meer ist kein Ort für Menschen. Das ist nicht natürlich. Man soll es den Fischen und den Dämonen überlassen, die darin leben.«
Cato sah ihn an und entdeckte zum ersten Mal an diesem Abend eine tief sitzende Angst im Gesicht des Mannes.
Laecus räusperte sich und versuchte, ruhig zu klingen. »Dämonen, ja. Und Piraten. Dieses Pack war bisher am schlimmsten. Sie überfallen Schiffe, ermorden die Besatzung oder versklaven sie und verschwinden dann wieder. Und die Marine ist bei der Jagd auf sie immer gescheitert. Als wüssten sie genau, wann die Flotte auftauchen würde. Dahinter muss irgendeine Magie stecken.«
»Oder einfach nur gute Spionage«, schlug Cato vor.
Mit einem lauten Rasseln des Riegels wurde die Tür geöffnet und auf gut geölten Angeln nach innen aufgeschwungen. Die Eingangshalle war dunkel, aber helle Lichter brannten am Ende eines langen Korridors mit hoher Decke, der auf einen begrünten Innenhof hinausführte. Der Türhüter winkte sie herein und verriegelte die Tür wieder hinter ihnen.
»Da entlang bitte, Herr. Mein Gebieter empfängt dich an seinem Tisch.«
Cato blieb stehen. »An seinem Tisch? Das ist nicht nötig. Er kann es unauffällig halten, wenn er möchte. Ich möchte sein Fest nicht stören.«
»Aber das hast du schon getan, Herr.« Der Türhüter neigte den Kopf. »Wenn du mir jetzt bitte folgen würdest?«
»Nun gut. Laecus, du wartest hier. Türhüter!«
Der Türhüter drehte sich wieder um, bemüht, einen gereizten Gesichtsausdruck zu verbergen. »Jawohl, Herr?«, erwiderte er unwirsch.
»Bring diesem Mann einen Krug Wein.«
Angesichts dieser Unverfrorenheit zog der Türhüter überrascht die Augenbrauen hoch, lächelte dann aber gleich unterwürfig. »Ich werde sehen, welche Erfrischung ich deinem Mann reichen lassen kann, wenn ich mich um dich gekümmert habe, Herr.«
»Danke.«
Der Türhüter wandte sich ab, blickte sich noch einmal, kurz stehen bleibend, nach Cato um, ob der noch irgendwelche Wünsche hatte, und führte ihn dann den Korridor entlang. An den Wänden hingen kostbare Wandteppiche, die den Klang ihrer Schritte dämpften. Hübsche Büsten, die wohl Familienmitglieder darstellten, lugten in regelmäßigen Abständen aus flachen Wandnischen hervor.
Sie traten aus dem Korridor in ein großes, gartenähnliches Peristyl hinaus, einen von Säulenumgängen gesäumten Innenhof. Er war mit Statuen und Formbäumen geschmückt und ins flackernde Licht Hunderter von Lampen getaucht, die von den den Garten überspannenden Spalieren herabhingen. Es war Anfang des Frühjahrs, und zahlreiche Kohlenbecken glühten zwischen den Festgästen und verstärkten den Qualm der Öllampen, der in dünnen, fettigen Wirbeln von den winzigen Flammen aufstieg. Ein großer Speisesaal führte auf den Innenhof, und eine lange Tafel mit etlichen zusätzlichen Tischen zog sich aus dem Saal heraus. Auf den Bänken hatten sich vornehm gekleidete Gäste niedergelassen. Das Essen war vorbei, und die letzten Teller und Servierplatten wurden von Haushaltssklaven abgetragen, die in ihrem Bemühen, unsichtbar zu bleiben, weder etwas sagten noch es wagten, den Blicken der Anwesenden zu begegnen. Viele der Gäste waren vom Tisch aufgestanden und schlenderten im Peristyl herum. Sie unterhielten sich auf die laute, gedankenlose Art von Menschen, die zu viel getrunken haben und alle Vorsicht fallen lassen. Neben der Tafel stand eine kleine Gruppe von Musikern, die gerade ihre Instrumente wegstellten, als Cato vorbeiging.
Er blickte sich auf der Suche nach Anobarbus unter den Gästen um, aber der Kaufmann war nirgends zu sehen.
»Centurio!«
Cato sah zum Kopfende der Tafel und erblickte Rufius Pollo, der sich aufrichtete und den Arm hob, um Catos Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Hierher! Komm und leiste mir Gesellschaft.«
Cato drängte sich durch eine Gruppe aufgeregter Jugendlicher zum
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