Die Prophezeiung des Adlers
könnt alles an Schätzen mitnehmen, was ihr nur tragen könnt. Wir nehmen uns, was wir wollen, und sind wieder hier zurück, bevor wir vermisst werden.«
»Und der Gefangene?«
»Wenn wir erst einmal das haben, hinter dem wir her sind, nehmen wir ihn wieder bis zum Boot mit und lassen ihn dann frei.«
»Und wie soll ich seine Flucht erklären?«
»Er hat das Schloss mit einem Nagel geöffnet und dich überfallen, als du ihm einmal den Rücken zugekehrt hattest. Dann ist er über die Reling gestiegen und zur Festung hinübergeschwommen. Man wird dich finden, lebendig, aber betäubt. Mein Leibwächter hier wird den Angriff auf dich überzeugend aussehen lassen.«
Minucius musterte den stämmigen Mann, der hinter Vitellius stand. »Daran habe ich keinen Zweifel … Und was geschieht, wenn man dich vermisst?«
»Ich habe einen Brief zurückgelassen, in dem ich erkläre, dass ich losgezogen bin, um ihre Verteidigungsmaßnahmen auszuspähen.« Vitellius lächelte. »Zu meiner Ehrenrettung, du verstehst schon. Wenn alles nach Plan läuft, vernichte ich den Brief, sobald ich wieder in meinem Zelt bin. Wir haben uns um die Wachtposten gekümmert. Sie sind gefesselt und geknebelt in den Ankertaukasten geworfen worden. Wenn wir Erfolg haben, werden wir uns ihrer natürlich entledigen müssen. Das werden wir dann Ajax in die Schuhe schieben.«
Minucius nickte langsam. »Anscheinend hast du an alles gedacht, Herr.«
»Ich habe mich bemüht. Nun, was sagst du, Centurio?«
»Das alles klingt sehr interessant«, meinte Minucius. »Was befindet sich denn nun in dieser Truhe, für die du unser Leben riskieren willst?«
»Nichts, was dich etwas angeht. Nichts, was du gerne hättest. Nun, haben wir eine Abmachung?«
Minucius dachte einen Augenblick nach und zuckte mit den Schultern. »Was habe ich denn für eine Wahl? Wenn ich nein sage, bringt ihr mich um und nehmt ihn trotzdem mit.«
»Natürlich. Entscheide dich also vernünftig. Glaub mir, es ist zu deinem Besten. Es wird gefährlich werden. Aber wenn wir Erfolg haben, wirst du einer der reichsten Männer in Ravenna sein.«
»Was sollte dich daran hindern, mich zu töten, nachdem ich euch den Gefangenen übergeben habe?«
»Ich habe viel mehr zu gewinnen, wenn du uns hilfst. Außerdem, wozu sollte das gut sein? Es werden viel mehr Schätze da sein, als ihr drei wegtragen könnt, und so haben wir durch Verrat nichts zu gewinnen und nur Vorteile, wenn wir mit dir zusammenarbeiten.«
Minucius starrte ihn kurz an, streckte dann die Hand aus und ergriff die des Tribuns. »Also, abgemacht, Herr.«
»Sehr gut. Und jetzt lass uns den Gefangenen nehmen und losgehen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Minucius löste die Ketten des Gefangenen und zog ihn hoch. Einer der Leibwächter bohrte mit der Spitze seines Schwerts den Ringbolzen heraus. Als dieser auf die Planken fiel, griff er in den Geldbeutel an seinem Gürtel, holte einen Nagel heraus und legte ihn neben den Ringbolzen.
»So.« Vitellius lächelte. »Ein klarer Beweis für die Findigkeit des entflohenen Gefangenen. Und jetzt los.«
Die fünf Männer stiegen den Niedergang zum Deck hinauf, gingen zum Heck der Trireme und kletterten über die Reling in eines der kleinen Boote, die am Kriegsschiff festgemacht waren. Vitellius nahm seinen Platz im Bug ein, Minucius und Ajax im Heck, und die beiden Leibwächter ergriffen jeder einen Riemen. Sie lösten die Festmachleine, stießen das Boot von der Trireme ab und legten die Riemen ungeschickt in die Dollen. Eines der Ruderblätter fiel platschend ins Wasser.
»Still, ihr Dummköpfe!«, zischte Vitellius. »Immer mit der Ruhe. Keiner darf uns sehen oder hören!«
Nach dieser Ermahnung gingen die beiden Leibwächter behutsamer vor, tauchten die Riemen vorsichtig ins Wasser, zogen sie langsam durch und schwangen sie für den nächsten Schlag wieder durch die Luft nach hinten. Das Wasser in der Bucht lag ruhig da, und das Boot glitt zur schwarzen Masse des Felsens hinüber, auf dem sich die Festung erhob. Als das Boot am dunklen Dammweg vorbeikam, hörten sie, wie die Wurfarme der Onager gegen die Prellböcke krachten und weiter in der Ferne das Rumsen der Aufschläge.
Minucius beugte sich zu Ajax hinüber und flüsterte: »Warum hilfst du ihnen?«
»Um am Leben zu bleiben«, flüsterte der junge Mann zurück. »Er hat mir versprochen, mich und meinen Vater entkommen zu lassen, wenn alles vorbei ist.«
»Verstehe.« Minucius war überrascht von der Leichtgläubigkeit
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