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Die Prophezeiung des Adlers

Die Prophezeiung des Adlers

Titel: Die Prophezeiung des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Scarrow
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zu ersinnen. Wir dürfen nicht zulassen, dass er uns entgeht. Denn dann wären all die Kameraden, die wir im letzten Monat verloren haben, vergeblich gestorben.«
    Er verstummte kurz, und das Krachen eines Onagers tönte vom Dammweg herüber. Vespasian nickte dorthin. »Der Beschuss geht bis Tagesanbruch weiter. Ich hoffe, dass wir bis zur Morgendämmerung eine Bresche in die Verteidigungsanlagen geschossen haben. Ein großer Teil der Trümmer wird in den Graben fallen, aber wir werden dennoch Reisigbündel und Sturmleitern mitnehmen müssen. Ich behaupte nicht, dass die Erstürmung einfach und schmerzlos sein wird, aber sie ist nötig. Die beste Möglichkeit, das Leben der Soldaten zu schonen, besteht darin, den Angriff mit aller Härte und Schnelligkeit durchzuführen.« Er lächelte. »Falls irgendjemand von euch über meine Verwendung des Wortes ›wir‹ lächelt, kann ich euch versichern, dass ich mit der ersten Welle in die Festung eindringen werde. Ich werde einen Trupp anführen, der die Aufgabe hat, Telemachos zu finden und lebendig gefangen zu nehmen. Ich freue mich also nicht weniger auf den Kampf als ihr, meine Herren.«
    Leises Gelächter lockerte die ernste Stimmung auf, und Vespasian nutzte das als guten Zeitpunkt, die Besprechung zu beenden. Er erhob sich von seinem Stuhl. »Ihr erhaltet eure Befehle später.«
    Er wollte die Offiziere gerade wegtreten lassen, als die Zeltklappe hinten im Raum zur Seite gezogen wurde. Vespasian schaute mit überraschter Miene auf. Als zwei Männer aus der Dunkelheit traten, verwandelte sein verwunderter Blick sich in ein freudiges Begrüßungslächeln.
    »Ich bitte um Entschuldigung, Herr«, sagte Centurio Cato. »Habe ich etwas versäumt?«

KAPITEL 40
    D ie Artilleriemannschaften setzten den Beschuss der Festung die ganze Nacht lang fort. Rund um die Onager waren Fackeln angezündet worden, und die Männer schufteten ohne Unterbrechung. Sie kurbelten die Wurfarme zurück, luden sie mit Steinen und traten zurück, sobald Geschosse mit einem Krachen losgeschleudert wurden und davonzischten. Die Steine flogen unsichtbar durch die Nacht und stürzten auf die Festung der Piraten nieder. Auf der Festungsmauer brannten keine Lichter, die den römischen Bedienungsmannschaften beim Zielen geholfen hätten, und der einzige Beweis für den Erfolg ihrer Bemühungen war ein gelegentliches Krachen und ein Rumpeln von Steinen in der Ferne, wenn ein Schuss getroffen hatte. Hundert Schritte weiter draußen stand eine Truppe von Marineinfanteristen für den Fall Wache, dass die Verteidiger einen Ausfall versuchten, um die Belagerungswaffen zu zerstören.
    Nicht weit hinter den Onagern lag das befestigte Lager der Flotte Ravennas. Kleine Kochfeuer flackerten in der Dunkelheit, und die erschöpften Matrosen und Marineinfanteristen saßen in einer Stimmung stiller Erleichterung und gedämpfter Heiterkeit darum herum, wie es üblich ist, wenn Soldaten eine Schlacht überlebt haben. Hinter ihnen, in der Biegung der Bucht, lagen die dunklen Rümpfe der Kriegsschiffe. Zum Meer hin patrouillierten kleinere Boote und hielten nach Piraten Ausschau, die möglicherweise versuchten, schwimmend aus der Festung zu entkommen.
    Über den dunklen Sand näherten sich drei Gestalten den auf dem Strand liegenden Schiffen. Sie marschierten zielstrebig zu der Trireme, in der Ajax gefangen gehalten wurde. Zwei Marineinfanteristen standen am Ende der zum Deck hinaufführenden Laufplanke Wache, und als die Gestalten sich aus der Dunkelheit lösten und auf sie zukamen, trat einer der Marineinfanteristen vor und rief sie an.
    Unten im Frachtraum blickte Centurio Minucius, dem eine schwache Öllampe leuchtete, beim Klang der Wächterstimme noch nicht einmal auf. Er ruhte auf einem improvisierten Lager aus überschüssigem Segeltuch, das über aufgerollte Taue gelegt worden war. Durchaus bequem, aber doch nicht so gemütlich, dass man einschlafen konnte. Und das war genau richtig. Er hatte den Befehl erhalten, den Gefangenen zu bewachen, der einige Schritte entfernt auf dem Gitterrost über der Bilge saß. Ajax war sicher an einen Eisenring gekettet, der in einer der dicken Holzrippen der Trireme verankert war. Er schlief nicht, sondern saß dumpf vor sich hin brütend da und hielt die Hand umfangen, deren kleiner Finger beim Verhör abgehackt worden war. Minucius beobachtete ihn wachsam. Eine Flucht oder einen Selbstmordversuch würde es nicht geben.
    Leute sprangen mit Stiefeln an Deck, und das Klacken

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