Die Prophezeiung von Umbria
hatten sie schließlich auch überquert – Rath sogar zwei Mal.
“Wenn sie nur ein wenig solider wäre.” Maura ließ sich von Rath zur Brücke ziehen. “Wieso haben sie sie nicht aus Stein gebaut, mit hohen Mauern auf jeder Seite, so dass man die Tiefe unter sich nicht sehen muss?”
“Es lohnt sich nicht, hier eine Steinbrücke zu bauen. Dazu kommen hier zu wenig Menschen vorbei. Außerdem glaube ich nicht, dass sie lange halten würde. Hier gibt es häufig Erdbeben. Das hält eine Steinbrücke nicht aus.”
Sie hatten die Brücke wieder erreicht. Rath schob Maura vor sich. “Halte dich an den Seilen fest, schaue nur auf die andere Seite und wir werden schneller drüben sein, als du denkst.”
Mauras Herz hämmerte so stark, dass sie glaubte, es würde ihr die Brust sprengen. Den Blick fest auf die andere Seite gerichtet, umklammerte sie die Seile an beiden Seiten. Dann trat sie auf das erste schmale Brett über dem Abgrund.
Es schwankte unter ihren Füßen, und sie blickte hinab. Sie hatte keine Ahnung von der wirklichen Tiefe der Schlucht gehabt. Die Felsenwand fiel ins Unendliche hinab.
“Nein!”
Sie fuhr herum und schob Rath in ihrer Panik einfach beiseite. “Ich … kann nicht. Ich kann nicht! Lass uns ein Versteck suchen, bis die, die hinter uns sind, uns überholt haben. Dann gehen wir nach Südmark zurück.”
Rath drehte sich zu ihr um. “Du warst damit einverstanden, dass wir diesen Weg nehmen. Der andere Weg ist noch gefährlicher und würde zu viel Zeit beanspruchen.”
“
Davon
hast du mir nichts gesagt.” Mit zitternden Fingern deutete Maura auf die Brücke.
“Ich hatte keine Ahnung, dass sie dir solche Angst einjagen würde. Ich verstehe dich nicht, Maura. Um mich zu retten, hast du es mit den Schwertern und den Hunden der Han aufgenommen. Du hast einen Schwarzmagier überwältigt. Du hast deinen Teil dazu beigetragen, damit wir Vang entkommen konnten. Und jetzt willst du nicht über diese Brücke gehen?”
Alles was er sagte, war wahr. Es erschien ihr genauso unverständlich wie ihm. Schon früher hatte sie Furcht gekannt, aber noch nie solch ein lähmendes Entsetzen, das jeder Vernunft trotzte.
“Nein.” Sie wich noch weiter zurück und zog ein Stückchen Spinnenseide aus der Tasche. “Ich will nicht. Und wenn du wieder versuchst, mich zu zwingen, lege ich einen Schlafzauber über dich.”
Ein schmerzlicher Ausdruck lag für einen kurzen Moment auf seinem Gesicht, so als hätte sie ihm die Klinge ins Herz gestoßen. Doch er verschwand schnell und etwas Hartes, Wildes trat an seine Stelle.
“Dann bleib, du Feigling! Lügnerin!” Immer noch den Blick auf sie gerichtet, betrat er die Brücke und begann, sie rückwärts zu überqueren.
“Vielleicht bin ich ein Feigling, Rath Talward. Aber ich bin keine Lügnerin!”
“Doch. Eine Lügnerin und Betrügerin mit all deinem leeren Gerede über den Allgeber und den Wartenden König und deine Suche! Wenn du wirklich an dieses ganze Geschwätz glauben würdest, dann würdest du auch auf deinen Allgeber vertrauen! Dass er dich nämlich davor bewahren wird, hinunterzustürzen. Es gibt keinen Allgeber. Keine Jenseitswelt. Nur ein hartes, dreckiges Leben, aus dem man so viel herausholen muss, wie man nur kann.”
“Du irrst dich!” Maura sprang wütend auf. “Der Allgeber hat diese Welt erschaffen und jedem Lebewesen seinen Geist eingehaucht.”
“Und Helden an den Himmel gesetzt, damit sie Monster jagen?”, rief Rath mit ätzendem Spott. “Mist! Stinkender, blöder Mist!”
“Nein!” Maura merkte kaum, dass sie die Seile gepackt hatte und die Brücke betrat. Ihr Blick bohrte sich in Rath, dass sie nichts anderes mehr um sie herum wahrnahm. “Sag nicht so etwas!”
“Dann hindere mich doch daran,
Auserkorene Königin!”
In seinem Mund klang der Titel nur noch lächerlich. “Wie hast du davon geschwafelt, dass du im ganzen Königreich nach der Geheimen Lichtung suchen willst. Ich sehe jetzt, dass du damit nur die
sicheren
Orte des Reiches gemeint hast.”
“Wie kannst du es wagen!” Wenn sie ihn erst in die Finger bekam, würde er seine Beleidigungen schon noch bereuen.
“Wenigstens wage ich etwas!”, schrie Rath und ging schneller. “Ich wage mein Leben, ohne auch nur im Geringsten an einen Großen Geist zu glauben! Ich wage es, mit den Han um jede Chance zu kämpfen, die ich kriegen kann, anstatt herumzuhängen und zu warten, bis ein toter König sich aus dem Grab erhebt und es für mich tut!”
“Du
Weitere Kostenlose Bücher