Die Prophezeiung von Umbria
sie tatsächlich verlassen hatte.
Wenigstens hatte er die Güte gehabt, ihr das Pony und die Vorräte zu lassen. Doch die Aussicht, die Reise ohne ihn fortzusetzen, war nicht sehr verlockend.
In ihren Umhang gewickelt fiel sie neben dem Feuer in einen unruhigen Schlaf. Die Kräfte, die sich gegen sie verbündet hatten, drohten immer mächtiger und gefährlicher zu werden. Nicht nur die Han und die Echtroi, sondern auch gesetzlose Umbrianer, wilde Tiere, die weiten Entfernungen und die unbekannte Umgebung.
Gegen alle Vernunft hatte sie sich in seiner Begleitung sicher gefühlt. Vielleicht war es ja nur eine Illusion gewesen, aber sie hatte sie getröstet und ihr geholfen, weiterzumachen.
Spät in der Nacht wurde sie vom Geräusch vorsichtiger Schritte geweckt. Warum hatte sie sich bloß Sorgen gemacht? Jetzt kam Rath doch zu ihr zurückgeschlichen!
In ihr stritten Ärger und Erleichterung.
Plötzlich griffen große, kräftige Fäuste nach ihr und eine große, stinkende Hand verschloss ihr den Mund. Maura versuchte zu schreien, während sie sich gleichzeitig fragte, warum. Denn es gab ja keinen, der ihr zu Hilfe eilen konnte. Es war aber sowieso egal, denn die fleischige Hand erstickte jeden Schrei.
Sie versuchte einige der Tricks, die gegen Rath so erfolgreich gewesen waren. Sie wand sich wie ein Aal und stieß mit aller Kraft mit den Absätzen gegen die Beine des Mannes, aber sie hätte genauso gut gegen einen Baumstamm hämmern können.
Aus dem Dunkel kam die Stimme eines anderen Mannes. “Scheint, du hast dir da eine bissige Bergkatze eingefangen, Orl. Ich denke, die muss noch Manieren lernen.”
Kurz darauf schlug ihr eine andere Hand ins Gesicht. Der Schlag kam völlig überraschend. Ein heftiger Schmerz tobte in ihrem Kopf.
“Noch einen Piepser, und ich schlage das nächste Mal richtig zu”, knurrte ihr Angreifer mit hörbarem Wohlbehagen in der Stimme. Maura war gewarnt. Seine Stimme verriet ihr, dass er sich über eine weitere Gelegenheit zum Zuschlagen freuen würde.
Der Mann, der sie geschlagen hatte, entfernte sich und sprach jetzt mit einem anderen. “Nur sie?”
“Scheint so.” Die hohe Stimme schien zu einem jüngeren oder kleineren Mann zu gehören.
“Kommt allein hierher! Ist die verrückt?”, fragte der erste Mann.
Der andere Bursche und der Kerl, der Maura festhielt, ließen ein verächtliches Grunzen hören.
Was würden sie mit ihr tun? Wenn sie sie hätten töten wollen, würde sie jetzt schon nicht mehr leben. Maura lief es eiskalt den Rücken hinunter, als sie sich an Raths Warnung erinnerte.
Verglichen mit ihnen bin ich ein Heiliger.
Sie war nicht ganz so ahnungslos, wie er glaubte. Sicher hatte sie keine große Erfahrung mit Männern, aber Sorsha hatte ihr beschrieben, wie Frauen missbraucht werden konnten. Und Sorsha hatte es von Newlyn erzählt bekommen. Um nichts in der Welt wollte Maura diese schrecklichen Dinge am eigenen Leib erfahren.
10. KAPITEL
“H at sie irgendetwas Wertvolles bei sich?”, fragte der Bursche, der sie geschlagen hatte. Er schien das Kommando zu haben.
“Nur Essen und das, was in den Bündeln ist, Turgen. Aber da ist ein Pony.”
Die Frage nach etwas Wertvollem erinnerte sie an Langbards Schultergurt. Vielleicht konnte sie eine der unteren Taschen erreichen.
Es wäre Verschwendung gewesen, in einer stockdunklen Nacht wie heute Sturmvogelfedern zu benutzen. Spinnweb half nur gegen einen einzelnen Feind. Narrenfarn vielleicht oder Traumkraut? Doch damit riskierte sie, auch sich selbst zu betäuben. Außer, wenn es ihr gelang, aufzustehen und die Zauberkräuter über die Männer zu werfen. Sie musste auch den Mund frei bekommen, um die Beschwörung auszusprechen.
“Kein schlechter Fang!”, murmelte Turgen. “Schon 'ne Weile her, dass wir 'ne Frau hatten.”
Die Lüsternheit in seiner Stimme ließ Maura erschauern. Doch das blanke Entsetzen ergriff sie, als der andere Gesetzlose meinte: “Hoffentlich hält sie's länger aus als die Letzte.”
Maura beschloss, ihre Panik zu unterdrücken und auf die erstbeste Gelegenheit zum Handeln zu warten. Es konnte ihre letzte sein.
In den letzten Stunden der Nacht kehrte Rath ans Ufer des Sees zurück. Obwohl er nach dem Streit geflüchtet war, musste er der Wahrheit ins Auge sehen. Das kurze Beisammensein mit Maura hatte bereits Veränderungen in ihm bewirkt, die ihm ganz und gar nicht gefielen. Wenn er zuließe, dass sie noch mehr Einfluss über ihn gewann, würden solche Veränderungen seine
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