Die Prophezeiung von Umbria
besitzen?”
“Ich bin ja noch nicht einmal sicher, ob
ich
eine besitze, geschweige denn ein toter Fisch.” Rath deutete mit dem Messer auf den Fisch. “Aber macht nur. Ich muss noch meine Klinge schärfen.”
Bevor sie antworten konnte, ging er seinen Wetzstein holen. Als er zurückkam, hatte sich sein Unmut etwas beruhigt. “Habt Ihr Euch jetzt bei Eurem Allgeber bedankt und ist der fette Bursche hier damit einverstanden, gegessen zu werden?”
Als Maura nickte, schlitzte er den Fisch auf. Während er die schleimigen Innereien hervorholte, warf er einen Blick auf Maura, bereit, sich über ihren Ekel zu freuen.
Doch sie enttäuschte seine Erwartungen. Nachdenklich hielt sie den Kopf gesenkt. “Womit hat Euch der Allgeber nur so verletzt, Rath Talward? Wie kann Euch etwas, an das Ihr angeblich gar nicht glaubt, so schmerzen?”
Solch eine dumme Frage verdiente keine Antwort. Doch die Worte kamen wie von selbst.
“Es
kann
Euch schmerzen, wenn andere daran glauben und wegen dieses Glaubens närrische Dinge tun.”
Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Fisch zu. Lieber würde er tausend stinkende Fische säubern, als weiter über dieses Thema zu reden.
“Meint Ihr die alte Frau, die Euch aufgezogen hat?” Ihre sanfte Stimme ließ ihn doch wieder zuhören. “War sie unfreundlich? Es hörte sich nicht so an, als Ihr von ihr erzähltet.”
“Ganny unfreundlich? Sie hat gar nicht gewusst, was das ist!”
“Warum hat ihr Glaube Euch dann verletzt? Langbard lehrte mich, dass dem Allgeber zu folgen bedeutet, Respekt vor jedem Lebewesen zu haben.”
Als Rath nichts antwortete, fügte sie hinzu: “Ich will Euch ja nur verstehen.”
Rath hatte seine Stimme wiedergefunden. “Dann hört gut zu.” Wütend stieß er mit dem Messer in die Luft. “Diese viel zu friedlichen Ansichten waren der Grund für unser hartes Leben und für Gannys Tod. Immer nur hat sie sich um andere gekümmert, die die Güte nie zurückgaben. Geduldig und dumm wie ein Schaf hat sie um die Rückkehr des Wartenden Königs gebetet, während die Wölfe uns umkreisten.”
Mit heftigen Hieben schnitt er dem Fisch Kopf und Schwanz ab. “Aber ich habe aus ihrer Verrücktheit gelernt. Seitdem verlasse ich mich auf meine eigene Kraft und List. Und ich kümmere mich nur noch darum, zu überleben.”
Er warf Maura den Fisch vor die Füße. “Ihr mögt es für kein sehr nobles Glaubensbekenntnis halten, aber es hat mich all die Jahre am Leben erhalten. Das ist mehr, als ich von Ganny oder Eurem Allgeber sagen kann.”
Nachdem es ausgesprochen war, fühlte Rath sich seltsam erleichtert.
Zweifellos würde Maura jetzt schimpfen oder ihm widersprechen. Jedenfalls hoffte er es. Ein schöner heftiger Streit war genau das, was er jetzt brauchte, um diesen süßen Schmerz auszulöschen, den sie in ihm geweckt hatte.
Er reinigte die Klinge und wischte sie mit einem ölgetränkten Tuch ab, bevor er sie in die Scheide zurücksteckte. Als Maura nicht sofort antwortete, schielte er vorsichtig zu ihr hin.
Mit abwesendem Gesichtsausdruck betrachtete sie den Fisch, den sie in der Hand hielt, und strich dabei mit dem Finger über seine glatte Haut.
“Es hat Euch am Leben erhalten”, sagte sie mehr zu sich als zu ihm. “Ich frage mich nur – ist solch ein Leben wert, dass man es lebt?”
Ihre leise Frage traf Rath hart. Und an einer Stelle, von der er geglaubt hatte, dass er dort unverletzlich sei. Und darum tat er, was er immer getan hatte, wenn er dumm genug gewesen war, in eine Falle zu gehen.
Er ergriff die Flucht.
Maura dachte sich nichts dabei, als Rath wegging. Sicher würde er zum Essen zurück sein.
Für die nächste Zeit war sie voll beschäftigt. Zuerst machte sie ein kleines Feuer, dann würzte sie den Fisch mit ein paar Kräutern und wickelte ihn dick in mehrere Lagen nasse Seerosenblätter ein. Danach vergrub sie ihn in der heißen Asche.
Bei alldem dachte sie nicht an Rath, bis sie das verkohlte Päckchen aus der Asche zog und auswickelte. Der Inhalt schickte einen würzigen, Appetit anregenden Duft in die milde Abendluft. Doch Rath kam nicht.
Sie hatte seinen Unglauben und den Wert eines selbstsüchtigen Lebens infrage gestellt. Na und?
Als Langbard ihn damals gegen ihren Willen aufnahm, hatte sie noch viel schlimmere Dinge zu ihm gesagt, die ihn weit mehr hätten beleidigen müssen.
Hatte er vielleicht andere Gründe, zu gehen? Als die Dunkelheit hereinbrach und er nicht wieder auftauchte, wusste Maura, dass Rath Talward
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