Die Prophezeiung von Umbria
streuen sollen.”
“Zu spät.” Das Krachen der Bettstatt sagte ihr, dass Rath aufgestanden war. “Wenn du nicht das Frühstück holen willst, was hast du dann zu so früher Stunde vor? Oder geht mich das nichts an?”
Gegen ihren Willen blickte Maura ihn an. “Was spielt es für eine Rolle, was ich vorhabe? Es ist Zeit, dass wir uns trennen. Ich will dir nicht länger zur Last fallen.”
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. “Das habe ich nie behauptet.”
“Nein.” Maura zog den Umhang enger um sich. “Du hast nur gesagt, dass du für nichts anderes als für dein eigenes Überleben sorgen willst. Und ich habe dich schon zu oft in Gefahr gebracht.”
“Nun ja …” Er kratzte sich den Nacken. “Man kann seine Meinung auch mal ändern. Und ich habe mich jetzt daran gewöhnt … mich um dich zu kümmern.”
Er sagte es etwas verlegen und voller Ernst – ganz ohne seine übliche Großspurigkeit.
“Willst du damit sagen, dass du dir Sorgen um mich machst?” Bei diesem Gedanken musste sie lächeln.
“Vielleicht. Ist doch nicht falsch, oder?”, erwiderte er finster. Dachte er vielleicht, sie würde ihn auslachen?
Maura schüttelte den Kopf. “Ganz und gar nicht.”
“Dann tu nicht so geheimnisvoll.” Rath setzte sich auf die Bettkante und zog die Stiefel an. “Sag mir endlich, was du vorhast.”
Maura erkannte, dass er keine Ruhe geben würde, bis sie ihm alles erzählt hatte.
“Nun gut. Karte hin oder her, ich mache mich auf die Suche nach dem Wartenden König. Langbard sagte mir, dass ich bis zur Sonnwende Zeit hätte. Bis dahin werde ich nicht aufgeben, und wenn ich jeden Wald, den ich finde, Zoll für Zoll absuchen müsste.”
“Bist du verrückt?” Rath nahm sein Schwert vom Boden und erhob sich, um es anzulegen. “Du kannst dich glücklich schätzen, wenn du es schaffst, in dieser Zeit den Aldwood-Wald zu durchsuchen, und das ist nur einer der vielen Wälder in Umbria. Und das Diesseitsland hat zwar wenige, doch es
hat
Bäume.”
“Ich wusste, dass du versuchen würdest, es mir auszureden.” Maura ging zur Tür. “Deswegen habe ich dir nichts davon sagen wollen. Und deswegen habe ich versucht, mich davonzustehlen, bevor du wach wirst. Leb wohl, Rath. Der Allgeber sei mit dir, ob du es willst oder nicht.”
Sie zog den Riegel zurück und versuchte die Tür zu öffnen. Doch es ging nicht. Nachdem sie erfolglos an der Klinke gerüttelt hatte, blickte sie auf. Rath stand hinter ihr und hielt mit der Hand die Tür zu.
“Pass auf, Maura. Und wenn du jahrelang Zeit hättest, sämtliche Wälder durchzukämmen, würdest du nichts finden, weil es nichts zu finden gibt. Du verschwendest nur deine Zeit.”
Ein Teil von ihr hätte ihm nur zu gerne zugestimmt … aber eben nur ein Teil von ihr. Sie drehte sich um. Jetzt stand er dicht vor ihr und schaute auf sie herab.
“Mit meiner Zeit kann ich machen, was ich will!” Den Rücken an die Tür gelehnt, sah sie ihn trotzig an. “Wie könnte ich sie denn besser verbringen? Immer nur arbeiten und daran denken, wie ich meinen Magen fülle oder den Han entwische?”
“Das wäre doch schon mal ein Anfang!” Rath lehnte sich vor. Nur noch ein paar Zoll und ihre Gesichter würden sich berühren. “Wie willst du das Land durchsuchen ohne Proviant? Und ohne jeden Schutz?”
Sie musste dieser verwirrenden Macht entkommen, die sie zu ihm hinzog! “Ich habe nicht erwartet, dass du mich verstehst.”
Sie zwängte sich an ihm vorbei und flüchtete zum Bett.
Rath wandte sich um und betrachtete sie mit gerunzelter Stirn.
“Es ist etwas, das ich tun muss. So wie du gewusst hast, dass du mich sicher nach Prum bringen musstest. Wenn es nur die kleinste Chance gibt, den Wartenden König zu finden, dann muss ich sie ergreifen. Ich muss es tun – für die Menschen von Umbria und für mich selbst.”
Sie holte ein winziges Klümpchen Spinnenseide aus einer Tasche ihres Schultergurts. “Lässt du mich jetzt tun, was ich tun muss? Oder muss ich den Bindezauber sprechen?”
“Spar dir deine Spinnweben.” Rath gab die Tür frei und blieb mit gekreuzten Armen daneben stehen. “Wenn du zu dieser Narrheit so fest entschlossen bist, will ich dir nicht im Weg stehen.”
“Vielleicht ist es Narrheit”, sagte Maura. “Doch mein Entschluss steht fest.”
Ohne es zu wollen, hatte Rath sie durch sein Verhalten in ihrem Vorhaben nur noch bestärkt.
Rasch ging sie zur Tür, in der Furcht, Rath könnte seine Meinung doch noch ändern und
Weitere Kostenlose Bücher