Die Prophezeiung von Umbria
Sonnenuntergang aus Exildas Erdkeller geschlichen, in dem Wirtshaus ihr Pferd und einige Vorräte geholt, und als sie erst einmal aus der Stadt waren, ritten sie so schnell, wie sie es in der Dunkelheit wagen konnten.
Bei Sonnenaufgang hatten sie sich ein Versteck gesucht und geschlafen. Abgesehen von ein paar kurzen Unterbrechungen, um etwas zu trinken und zu essen, waren sie dann nur noch geritten.
“Noch ein kleines Stück”, meinte Rath. “Ich kenne einen sicheren Rastplatz für diese Nacht. Es wachsen dort auch viele Kräuter. Da kannst du sicher deine Vorräte auffüllen.”
Maura nickte. Je leerer die Taschen des Gurts wurden, desto verwundbarer fühlte sie sich. “Gibt es da vielleicht auch Wasser? Ich bin so schmutzig, dass ich mich selbst nicht mehr riechen mag.”
“Ich auch.” Rath lachte. “Vor ein paar Wochen hätte mir das bisschen Dreck nichts ausgemacht. Ich verweichliche langsam, und du bist schuld daran. Du bekommst dein Wasser. Es gibt dort zufällig eine warme Quelle, die in ein großes Becken fließt.”
“Warmes Wasser?” Maura versuchte es sich vorzustellen. “Man muss es nicht zuerst über dem Feuer heiß machen? Ich glaube, da steige ich nie mehr heraus.”
Der Ort, verborgen zwischen den Hügeln, umgeben von grünen Farnwedeln und hohen Bäumen, war ein kleines Paradies.
“Ich weiß gar nicht, was ich zuerst tun soll.” Maura atmete tief den leicht stechenden Geruch ein, der vom Wasser aufstieg, und tauchte dann die Hand hinein, um sich zu überzeugen, ob es wirklich warm war. “Soll ich Pflanzen sammeln, meine Kleider waschen
oder
baden?”
“Ich weiß schon, was ich als Erstes tun möchte”, antwortete Rath. “Doch vielleicht sollten wir besser nach Kräutern Ausschau halten, solange es noch hell genug ist.”
“Also zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen? Das hört sich aber gar nicht nach einem Gesetzlosen an!”, neckte ihn Maura.
“Das
Notwendige
vor dem Vergnügen”, berichtigte Rath. “Wenn meine Klinge geschärft werden muss, dann tue ich das, bevor ich mich zum Essen setze. Von diesen Pflanzen kann unser Leben abhängen. Außerdem würde ich sowieso erst baden, sobald es dunkel ist.”
“Warum das denn?” Sie musste aber zugeben, dass der Gedanke an ein warmes Bad unter Sternen etwas sehr Verlockendes hatte.
“Weil ich es nicht für klug halte, mich in Versuchung führen zu lassen, wo ich doch das, was ich sehe, nie haben kann.” Ein heißer, hungriger Ausdruck trat bei diesen Worten in seine Augen.
Wie konnte er sie nur auch im Mindesten anziehend finden, so schmutzig und verschwitzt wie sie war? Maura versuchte das aufregende Kribbeln, das sie plötzlich verspürte, zu unterdrücken, und als ihr das nicht gelang, es wenigstens zu ignorieren.
Doch auch damit hatte sie keinen großen Erfolg.
“Verzeih mir, Rath. Du weißt, es geht nicht. Und du weißt auch warum.”
“Ja.” Sie sah ihm an, wie er sich bemühte, sein Verlangen zu unterdrücken. “Lass uns an die Arbeit gehen. Wonach soll ich denn suchen?”
“Königinnenbalsam kann ich immer brauchen.” Maura versuchte sich zu konzentrieren. “Ich habe noch jede Menge Traumkraut und Lebensblatt aus Exildas Garten. Aber ich brauche auch etwas mehr Irrsinnsfarn.”
Sie beschrieb Rath, wie die Pflanze aussah. “Wahrscheinlich findest du ihn nahe beim Teich.”
“Irrsinnsfarn? Ich weiß, wie er aussieht. Was bewirkt er?”
Maura hatte einen kleinen Fleck entdeckt, wo etliche Heumondsträucher wuchsen, und pflückte einige ihrer kleinen blassblauen Blüten. “Erinnerst du dich an den Tag im Betchwood-Wald? Als ich dich unsichtbar gemacht habe?”
“Wie könnte ich den je vergessen?” Rath begann, rund um den Teich zu suchen. “Warum?”
“Ich benutzte zerstoßenen Irrsinnsfarn, um die Han zu verwirren. Er bewirkte, dass sie glaubten, du würdest immer noch vor ihnen her rennen, als du in Wirklichkeit schon längst verschwunden warst.”
“Scheint ein nützliches Zeug zu sein.” Fragend hielt Rath einen zarten Farnwedel hoch.
Maura nickte zustimmend. “Ist es auch. Doch du musst vorsichtig damit umgehen. Man kann nie voraussagen, wie er auf einen Menschen wirkt.”
Eine Weile sammelten sie schweigend weiter. Dann brachte Rath Maura einige Farnwedel.
“Kam es dir jemals seltsam vor, Magie einzusetzen?” Nachdenklich sah er von den fein gefiederten Wedeln zu ihr hin, dann betrachtete er wieder den Farn in seiner Hand. “Ich meine, je größer meine Klinge ist und je
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