Die Prophezeiungen von Celestine
Gedanken zu fassen. Mein Magen schnürte sich vor Angst zusammen. Etwas Derartiges hatte ich nicht erwartet. Was, wenn man mich gefangengenommen und in ein peruanisches Gefängnis geworfen oder gleich umgebracht hätte? Ich mußte dringend zu einer realistischeren Einschätzung meiner Situation gelangen. Ich besaß keine Kleidungsstücke, außer denen, die ich auf dem Leib trug, aber ich war im Besitz von Bargeld und einer Kreditkarte, und aus irgendeinem Grund vertraute ich Wil.
»Weshalb waren diese Leute hinter dir und - wie heißt er, Dobson? - her?« fragte Wil plötzlich.
»Keine Ahnung«, gab ich zurück. »Ich habe Dobson erst im Flugzeug kennengelernt. Er ist Ge-schichtswissenschaftler und kam nach Peru, um die offizielle Untersuchung eines Manuskripts vorzunehmen. Er ist der Vertreter einer ganzen Gruppe von Wissenschaftlern.«
Wil war überrascht. »Wußte die Regierung von seinem Kommen?«
»Ja, er hat bei einigen Regierungsbeauftragten um Unterstützung gebeten. Ich kann nicht fassen, daß man versucht hat, ihn zu verhaften; er hatte nicht einmal seine Kopie des Manuskriptes bei sich.«
»Er besitzt eine Kopie?«
»Nur von den ersten beiden Erkenntnissen.«
»Mir war nicht bewußt, daß in den USA Kopien existieren. Woher stammen sie?«
»Auf einer seiner früheren Reisen hat man ihm von einem bestimmten Priester erzählt, der wiederum Kenntnis von dem Manuskript gehabt haben soll. Den Mann selbst konnte Dobson nicht auftreiben, doch in seinem Haus stieß er auf die versteckten Kopien.«
Wils Gesichtsausdruck wurde traurig. »Jose«.
»Wer?« fragte ich.
»Der Freund, von dem ich dir erzählte, derjenige, der gestorben ist. Er wollte dafür sorgen, daß soviel Menschen wie möglich von der Existenz der Schrift erfuhren.«
»Was ist mit ihm passiert?«
»Er wurde ermordet. Von wem, wissen wir nicht.
Man hat seine Leiche meilenweit von seinem Haus entfernt im Wald gefunden. Doch ich bin mir fast sicher, daß es sich bei den Tätern um seine Feinde gehandelt haben muß.«
»Die Regierung?«
»Bestimmte Leute in Kirche und Regierung.«
»So weit würde die Kirche gehen?«
»Möglicherweise schon. Die Kirche ist gegen das Manuskript, gibt es aber nicht offen zu. Einige der Priester verstehen den Inhalt der Schrift und vertreten heimlich ihre Inhalte, doch sie müssen mit äußerster Vorsicht vorgehen. Jose erzählte jedem davon, der es hören wollte. Monate vor seinem Tod habe ich ihn bereits davor gewarnt, jedem Beliebigen eine Kopie auszuhändigen. Er sagte, er tue nur, was er tun müsse.«
»Wann wurde das Originalmanuskript eigentlich entdeckt?« fragte ich.
»Vor drei Jahren hat man es zum ersten Mal übersetzt. Wann genau es entdeckt wurde, weiß man nicht.
Das Original wurde seit Jahren unter den Indianern weitergegeben, bis Jose es in die Hände bekam. Er allein sorgte dafür, daß es übersetzt wurde. Nachdem die Kirche einmal herausgefunden hatte, um was es in der Schrift ging, tat sie alle s, um ihre Verbreitung zu verhindern. Jetzt existieren nur noch Kopien. Wir nehmen an, daß das Original zerstört wurde.«
Wil war in Richtung Osten aus der Stadt gefahren, und wir befanden uns jetzt auf einer schmalen, zwei-spurigen Straße, die durch eine stark bewässerte Gegend führte. Wir passierten einige kleine Hütten-siedlungen und eine große Wiese, die von einem auf-wendigen Zaun begrenzt wurde.
»Hat Dobson dir von den beiden Erkenntnissen berichtet?« fragte Wil.
»Er hat mir von der Zweiten erzählt«, gab ich zurück. »Eine gute Freundin sprach über die Erste. Sie hat zu einem anderen Zeitpunkt auch mit einem Priester gesprochen, wahrscheinlich war es ebenfalls Jose.«
»Hast du die beiden Erkenntnisse verstanden?«
fragte Wil.
»Ich denke, ja.«
»Dann ist dir klar, daß zufällige Begegnungen oftmals eine tiefere Bedeutung haben?«
»Es scheint so«, sagte ich. »Die gesamte Reise ist bisher eine Aneinanderreihung von scheinbaren Zu-fällen gewesen.«
»So ergeben sich die Dinge, wenn man erst einmal erwacht und in Kontakt mit der Energie gekommen ist.«
»In Kontakt mit der Energie?«
Wil lächelte. »Das wird ganz vorn, im ersten Teil des Manuskriptes, erklärt.«
»Ich würde gern mehr darüber hören«, sagte ich.
»Später«, antwortete er und deutete durch ein Kopfnicken an, daß er vorhatte, in einen Kiesweg einzubiegen. Etwa vierzig Meter vor uns stand ein einfaches Haus aus Holz. Wir parkten unter einem großen Baum rechts neben dem Haus und stiegen
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