Die Prophezeiungen von Celestine
zu.
»Fertig?« fragte er. Seine Art war so warmherzig und freundlich wie immer.
»Ja.«
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich einen Augenblick zu Ihnen setze?«
»Nein, ganz im Gegenteil.«
Er setzte sich zu meiner Rechten. Nach einer kurzen Zeit des Schweigens fragte er: »Verstehen Sie jetzt, daß Ihr Hiersein mit der Entdeckung Ihres Lebensweges zu tun hat?«
»Ich schätze, schon - aber was nun?«
»Jetzt müssen Sie es aus volle m Herzen glauben.«
»Wie soll das gehen, wenn in meinem Herzen die Angst sitzt?«
»Sie müssen sich klarmachen, was hier auf dem Spiel steht. Die Wahrheit, nach der Sie suchen, ist so wichtig und bedeutend wie die Evolution des
Universums selbst, denn sie erlaubt es der Evolution voranzukommen.
Sehen Sie es denn nicht selbst? Pater Sanchez hat mir von Ihrer Evolutionsvision auf der Berghöhe berichtet. Sie sahen, wie sich Materie vom einfachen Wasserstoffatom zur Menschheit entwickelte. Sie haben sich gefragt, welche Rolle die Menschheit bei dieser Entwicklung spielte. Jetzt haben Sie die Antwort: Menschen werden in einen historischen Zusammenhang geboren und stoßen dort auf etwas, wofür sie einstehen. Gemeinsam mit einem anderen Menschen, der ebenfalls für etwas steht, bilden sie eine Union, eine Einheit.
Kinder, die in diese Union geboren werden, verbinden diese beiden Standpunkte, indem sie nach einer übergeordneten Synthese aus beiden Positionen suchen, eine Suche, die im wesentlichen von Fü-
gungen gesteuert wird. Sicher haben Sie der Fünften Erkenntnis entnommen, daß wir jedesmal, wenn wir uns mit Energie auftanken und eine Fügung unser Leben vorantreibt, der einmal erreichte Energiestatus in uns etabliert wird, so daß wir von da an auf einer höheren Ebene energetischer Schwingung existieren und auf diese Weise die Evolution weitertragen.
Das Besondere an unserer Generation besteht darin, daß wir zum ersten Mal bereit sind, diesen Prozeß bewußt zu beschleunigen. Egal auf wieviel Furcht Sie dabei stoßen werden, letztlich haben Sie keine Wahl.
Wer einmal verstanden hat, worum es bei der
menschlichen Lebensform geht, kann dieses Wissen unmöglich wieder auslöschen. Wenn Sie versuchen, etwas anderes mit Ihrem Leben anzufangen, werden Sie immer das Gefühl haben, daß Ihnen etwas fehlt.«
»Aber was soll ich jetzt, in diesem Augenblick, machen?«
»Ich weiß nicht. Nur Sie können das beurteilen Ich würde trotzdem vorschlagen, daß Sie erst einmal ein wenig Energie sammeln.«
Pater Sanchez tauchte hinter der Ecke des Hauses auf und gesellte sich zu uns, sorgfältig darauf bedacht, jeden Augenkontakt und jedes Geräusch zu
vermeiden, um uns nicht zu unterbrechen. Ich versuchte, meine Energie zu zentrieren und mich auf die das Haus umgebenden Felsspitzen zu konzentrieren.
Ich atmete tief durch, und mir wurde bewußt, daß ich, seitdem ich das Haus verlassen hatte vollends von meinen Sorgen absorbiert worden war - als habe ich eine Tunnelvision. Ich hatte meine Wahrnehmung völlig von der Schönheit der maje stätischen Berge abgeschnitten.
Während ich meine Umgebung betrachtete, ver-
suchte ich mich bewußt auf ihre Schönheit zu konzentrieren. Wieder erlebte ich das mir mittlerweile so vertraute Gefühl der Verbundenheit. Mit einem Mal schien alles stärker hervorzutreten und ein wenig zu leuchten. Ich fühlte mich leichter, mein Körper schien entspannt und erfrischt.
Ich warf einen Blick auf Pater Sanchez und dann auf Pater Carl. Sie sahen mich gespannt an, und ich wußte, daß sie mein Energiefeld beobachteten.
»Wie sehe ich aus?« fragte ich.
»Als ob du dich besser fühlst«, sagte Sanchez.
»Bleib hier und tanke soviel Energie wie irgend möglich. Wir haben noch zwanzig Minuten mit dem Packen zu tun.«
Er lächelte ironisch. »Danach«, fuhr er fort, »kannst du loslegen.«
Der Energiefluß tritt ein
Die beiden Priester gingen zurück ins Innere des Hauses, während ich mich noch einige Zeit mit der Schönheit der Berge beschäftigte und mit dem Versuch, mehr Energie zu gewinnen. Doch bald verlor ich meine Konzentration, und meine Gedanken wanderten zu Wil und zu Spekulationen darüber, wie es ihm ergangen war und wo er sein mochte. Stand er kurz davor, die Neunte Erkenntnis zu finden?
Ich stellte mir vor, wie er, von den Militärs verfolgt, mit der Neunten Erkenntnis in der Hand durch den Dschungel lief. Ich dachte daran, wie Kardinal Sebastian die Jagd auf ihn plante. Doch mein Tagtraum ließ zur gleichen Zeit keinen
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