Die Prophezeiungen von Celestine
Zweifel daran, daß der Kardinal trotz seiner Autorität im Unrecht war und er die Wirkung des Manuskriptes auf Menschen falsch einschätzte. Ich war der Ansicht, daß die geeignete Person in der Lage sein würde, ihn von einer neuen Sicht der Dinge zu überzeugen, würde es nur gelingen, jenen Teil der Schrift ausfindig zu machen, durch den er sich derartig bedroht fühlte.
Während ich die sem Gedanken nachhing, tauchte Marjorie vor meinem geistigen Auge auf. Wo mochte sie jetzt sein? Ich stellte mir vor, wie es sein würde, sie wiederzusehen. Unter welchen Umständen die ses Ereignis wohl eintreten würde? Wenn überhaupt ...
Das Geräusch der zuschlagenden Haustür brachte mich zurück in die Gegenwart. Wieder fühlte ich mich schwach und nervös. Sanchez schritt um das Haus herum und kam auf mich zu. Seine Schritte waren flink und bestimmt.
Er ließ sich neben mir nieder. »Hast du entschie den, was du tun wirst?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Sehr kraftvoll wirkst du nicht gerade«, sagte er.
»Ich fühle mich nicht sehr kraftvoll.«
»Vielleicht liegt es daran, daß du deine Energie nicht systematisch aufbaust.«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich kann dir nur anbieten, dir meine Methode der Energiegewinnung zu erklären. Vielleicht hilft sie dir dabei, deinen eigenen Prozeß der Energie beschaffung zu finden.«
Mit einer Bewegung meines Kopfes bedeutete ich ihm fortzufahren.
»Zuallererst«, sagte er, »konzentriere ich mich auf meine Umgebung, genau wie du auch. Dann versuche ich, mir in Erinnerung zu rufen, wie die Dinge ausschauen, wenn ich energiegeladen bin: ihre einzigartigen Formen, die Schönheit jeder Pflanze und die Art und Weise, wie ihre Farben ein wenig leuchtender und heller zu werden scheinen. Kannst du mir soweit folgen?«
»Ja, genau das versuche ich auch.«
»Daraufhin bemühe ich mich«, so fuhr er fort, »das Gefühl der Verbundenheit neu zu erlangen, das Gefühl, daß alles, mag es auch noch so weit entfernt sein, letztlich in meiner Reichweite liegt und ich mich damit verbinden kann. Dieses Bewußtsein atme ich in mich hinein.«
»Hineinatmen?«
»Hat Pater John dir das nicht erklärt?«
»Nein.«
Einen Augenblick lang schien Sanchez verwirrt.
»Vielleicht hatte er vor, dir später davon zu berichten. Er gibt sich oftmals etwas sonderbar. Dann geht er einfach davon und überläßt den Schüler seinen eigenen Gedanken über das Gesagte. Gewöhnlich taucht er dann zur rechten Zeit wieder auf, um seinen Anweisungen noch etwas hinzuzufügen. Ich nehme an, daß er das vorhatte, wir aber zu schnell aufgebrochen sind.«
»Ich würde gern hören, was damit gemeint ist«, sagte ich.
»Erinnerst du dich an das Gefühl der Leichtigkeit auf der Bergspitze?« fragte er.
»Ja«, sagte ich.
»Um diese Leichtigkeit wiederzugewinnen, versuche ich die Energie, mit der ich mich gerade verbunden habe, einzuatmen.«
Bis hierhin war ich Sanchez gefolgt. Allein die Tatsache, daß ich ihm bei seiner Darstellung zuhören durfte, erhöhte meine Verbundenheit mit der Umgebung. Alles um mich herum hatte an Eindringlichkeit und Schönheit gewonnen. Selbst die Felsen schienen einen weißlichen Glanz abzustrahlen, und Sanchez' Energiefeld war groß und bläulich.
Er atmete jetzt tief und konzentriert ein und hielt jeden Atemzug fünf Sekunden an, bevor er wieder ausatmete.
»In dem Augenblick, in dem wir uns vorstellen, daß jeder Atemzug uns Energie zuführt und wie einen Ballon anfüllt, tanken wir uns tatsächlich mit Energie auf, fühlen uns unbeschwerter und leichter.«
Wenige Atemzüge später fühlte ich mich tatsächlich seiner Schilderung entsprechend.
»Habe ich die Energie eingeatmet«, fuhr Sanchez fort, »so überprüfe ich, wie es mit meinen Gefühlen aussieht. Wie schon gesagt, besteht darin mein eigentlicher Maßstab für den Grad meiner Verbundenheit.«
»Sprechen Sie hier wieder von Liebe?«
»So ist es. Wie schon in der Mission besprochen handelt es sich dabei nicht um ein intellektuelles Konzept von Liebe oder gar einen moralischen Im-perativ, sondern vielmehr um ein unterschwelliges Gefühl, das sich äußert, sobald jemand mit der durch das Universum erhältlichen Energie in Verbindung steht, wobei es sich selbstverständlich um die Energie Gottes handelt.«
Mit leicht unscharfem Blick starrte Pater Sanchez mich an. »Da«, sagte er, »du bist angekommen.
Genau diesen Energielevel brauchst du. Ich habe dir diesmal zwar noch ein wenig geholfen, doch im großen und ganzen
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