Die Puppe: Psychothriller (German Edition)
anzuziehen.
»Was hast du vor?«
»Da draußen ist jemand.«
»Nein … da ist niemand. Ich habe geträumt.« Sie klingt, als sei sie in Panik, und zittert verwirrt. »AJ, geh da nicht raus … bitte nicht.«
»Hast du eine Taschenlampe?«
»Bitte. Ich habe Angst.«
»Ob du eine Taschenlampe hast.«
»O Gott.« Mit unbeholfenen Schritten geht sie zu einer Kommode, wühlt in den Schubladen und lässt in ihrer Hast alles Mögliche herunterfallen. Schließlich nimmt sie eine Taschenlampe heraus. Sie ist groß und beruhigend schwer. Er wiegt sie ruhig in beiden Händen.
»Die genügt.«
Er geht die Treppe hinunter. Sie kommt hinterher und zieht im Laufen einen Kimono über. »Da ist niemand. Da kann niemand sein. Bitte bleib hier bei mir.«
Die Hintertür ist zu, aber als er sie öffnen will, stellt er fest, dass sie nicht abgeschlossen ist.
»Scheiße«, zischt sie und verknotet den Gürtel ihres Kimonos. »Ich habe vergessen, sie abzuschließen. Daran denke ich nie. Die Gegend hier ist so sicher.« Sie reckt den Hals, um an ihm vorbei in den Garten zu schauen. »Geh da nicht raus, bitte. Lass mich nicht allein.«
»Zieh dir Schuhe an.«
Gehorsam schiebt sie die Füße in ein Paar Gummistiefel. Er zieht seine Schuhe an – ohne Socken –, und zusammen gehen sie hinaus und schließen die Tür hinter sich mit leisem Klicken.
Alles ist still. Ferne Verkehrsgeräusche aus der Stadt wehen hinter ihnen über das Dach, aber aus dem Garten hört man nur das leise Rascheln des Windes in den Zweigen. Sie bleiben auf der Türschwelle stehen und lauschen mit angehaltenem Atem in die Nacht. Über ihnen geht eine Außenleuchte an, aber das Licht reicht nicht bis in den Garten.
AJ schaltet die Taschenlampe ein. Sie hat einen starken Lichtstrahl, der die Bäume weiter hinten beleuchtet.
»Der Zaun fehlt noch«, flüstert Melanie. »Die Baufirma ist einfach abgezogen. Sie haben den Garten nicht zu Ende gebracht.«
Zwischen den Bäumen ist alles ruhig. Kein Auge glüht, und man sieht auch nichts Verdächtiges. AJ richtet den Lichtstrahl ins Gras und geht ein paar Schritte weit in den Garten. Der gefrorene Boden knirscht unter seinen Füßen. Er bleibt stehen, wo die schwarze Spur aus dem Wald endet, und leuchtet umher. Er ist kein Spurenleser – kein Navajo-Scout –, und er tut nur so, als wüsste er, wonach er sucht. Durch seine Fantasie huscht ein geisterhafter Schemen – ein Nachthemd, das Getrippel kleiner Füße. Wahrscheinlich eher ein Tier. Er denkt an die Muntjaks, die aus dem Wald kommen und durch Patiences Salatbeete spazieren. Besser konzentriert er seine Gedanken darauf und nicht auf etwas anderes.
»Ist da jemand?«, ruft er zu den Bäumen hinunter. »Suchen Sie was?«
Stille.
»Lass uns wieder ins Haus gehen«, zischelt Melanie. Sie zittert. »Ich möchte wieder hinein.«
AJ bleibt noch ein paar Augenblicke stehen, breitbeinig, um seine Silhouette zu vergrößern. Wahrscheinlich ist da gar nichts, aber falls jemand sich zwischen den Bäumen herumtreibt, soll er wissen, dass hier ein Mann ist. Er hört keinen Laut. Schließlich knipst er die Lampe aus und geht leise zum Haus zurück. Melanie schließt und verriegelt die Tür. Sie kontrollieren sämtliche Fenster und gehen dann frierend und fröstelnd wieder ins Bett.
Sie liegen nah beieinander, um sich zu wärmen, aber Melanie benimmt sich seltsam. Sie wendet sich von ihm ab, und obwohl sie schweigt, weiß er, ohne sie anzusehen, dass sie hellwach ist und wahrscheinlich nicht wieder einschlafen wird. »Hey«, flüstert er, »was hast du gesehen? Was dachtest du, was es war?«
Sie schüttelt den Kopf. »Ich habe gar nichts gesehen. Ich habe geträumt.«
»Was hast du geträumt?«
»Ich weiß es schon gar nicht mehr. Etwas … Dummes.«
Sie verstummen beide. Lange Zeit vergeht, und AJ ist gerade dabei, wieder einzuschlafen, als Melanie plötzlich sagt: »AJ?«
»Mmmmm?«
»Glaubst du, wenn man sich lange genug über etwas Sorgen macht, dann träumt man irgendwann davon? Oder hat Halluzinationen?«
»Natürlich. Ich würde sagen, das ist sehr wahrscheinlich. Worüber machst du dir so große Sorgen, dass du davon träumst?«
Sie zuckt die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich erinnere mich nicht mehr.« Sie gähnt laut und unecht. »Gute Nacht, AJ. Gute Nacht.«
Jemand muss etwas wissen
Um zwei geht Flea ins Bett, aber sie schläft erst um vier ein. Um Gesellschaft zu haben, lässt sie den Fernseher laufen, lautlos in seiner Ecke. Es ist eine
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