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Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Puppe: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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und sie wurde im Land herumversetzt, bis sie schließlich in Rotherham landete, wo sie Stationsleiterin und dann Direktorin wurde. Vor fünf Jahren wurde auch dieses Krankenhaus zugemacht, und sie und Jonathan Keay wurden nach Beechway versetzt. Damals waren Keay und Melanie nur gute Freunde, sie war noch mit einem Steuerrechtsanwalt aus Oldham verheiratet, doch zehn Monate später war auch das vorbei; die Ehe endete ungefähr um die Zeit, als AJ in der Klinik anfing. Ihr Gatte war wohl zu dem Schluss gekommen, dass ihr die Arbeit wichtiger war als die Zubereitung seines Abendessens, und reichte die Scheidung ein.
    »Und das war ungefähr zu der Zeit, als wir auf der Party ein bisschen miteinander geflirtet haben?«
    »M-hm«, murmelt sie in ihre Armbeuge. »Die Scheidung war die Hölle. An diesem Abend habe ich zum ersten Mal versucht, aus dem Loch herauszukommen.«
    »Scheiße. Und warum habe ich diese Herausforderung nicht angenommen?«
    »Das weiß ich nicht. Warum nicht?«
    Er lacht betrübt. »Ich glaube, das weißt du. Wir haben gestern Abend darüber gesprochen. Du hast nicht ausgesehen wie eine Frau, die an Dates nach Art von AJ interessiert sein könnte.«
    AJ kann nur schwer akzeptieren, was er in all den Jahren versäumt hat, aber ihm ist auch klar, dass er damals ein anderer Mensch war. Er war nicht wie Jonathan Keay, der genug Gerissenheit und Selbstbewusstsein besaß, um den Stab aufzuheben, den er fallen gelassen hatte. Keay und Melanie haben ihre Affäre in der Klinik lange geheim gehalten. Es hat fast vier Jahre gedauert, bis er gegangen ist.
    »So lange hat er gebraucht, um herauszufinden, dass ich nicht kündigen würde. Ich würde die Patienten nicht aufgeben, und ich würde nicht zu Hause bleiben, um Kuchen für ihn zu backen. Wohlgemerkt«, fährt sie nachdenklich fort, »ich mag durch die Hölle gegangen sein, aber wenigstens nehme ich zum ersten Mal seit Menschengedenken ab. Deshalb ist es vielleicht nicht nur schlecht. Alles hat auch eine gute Seite und so weiter …«
    Melanie wird von Sekunde zu Sekunde menschlicher, und AJ sieht sie immer deutlicher. Er ist erstaunt darüber, wie entspannt er ist. Es ist, als hätten sie nie etwas anderes getan, als über ihre Vergangenheit zu plaudern und ihre Fehler einzugestehen.
    Sie trinken zusammen Kaffee und essen Toast, den sie verbrannt hat. Ein Muntjak stakst durch das bereifte Gras im Garten, und AJ beobachtet es schweigend und denkt, es könnte ein Muntjak gewesen sein letzte Nacht. Vielleicht. Und wenn es eins war, wäre das nicht eine Art Segen? Als schleiche sich ein kleiner Teil seines ländlichen Lebens hierher in die Stadt, um zu sagen: Es ist richtig. Alles absolut richtig. Die hilflose Erschöpfung, die er die ganze Woche empfunden hat, ist verflogen, sie hat sich verzogen wie schottischer Nebel, und er verspürt unbändige Energie – als wäre dies der erste Tag der Erde. Die erste Sonne, der erste blaue Himmel, das erste Bett, Kissen, Fenster, der erste Teppich, alles neu für den Menschen.
    Er hat so viel Energie, dass er unversehens ein paar Heimwerkerarbeiten im Haus erledigt, während Melanie sich für die Arbeit fertig macht. Als gehörte ihm das alles bereits. In der Küche ist ein Griff abgebrochen, und ein Stück von der Wannenverkleidung ist locker. Er fühlt sich dabei wie der erste Mann auf Erden, muskulös und kräftig, als hätte er die Beine eines schwarzen Fußballers, die er sich immer gewünscht hat. Er liegt in Boxershorts und T-Shirt auf dem Boden und versucht, Melanies Mädchen-Werkzeug mit den rosa Griffen dazu zu bringen, etwas Nützliches zu tun, statt nur süß auszusehen. Unterdessen ist sie im Schlafzimmer und schminkt sich – und sieht ebenfalls sehr süß aus. Sie trägt einen kurzen, pinkfarbenen Satin-Kimono, der an jeder anderen billig aussähe. Doch sie sieht damit schlicht hinreißend aus.
    »Was ist?«, fragt sie, als sie merkt, dass er sie anschaut. Sie breitet die Arme aus und schaut an sich herunter, um zu sehen, ob der Kimono nicht aufspringt. Das ist das Komische an Frauen – man darf die unglaublichsten Dinge mit ihrem Körper anstellen, und plötzlich, aus heiterem Himmel, sind sie befangen. »Bin ich fett?«
    »Enorm. Wie kannst du damit leben?«
    »Was?« Sie gerät in Panik. Tatsächlich hat sie ein winziges Bäuchlein, nur eine einzige kleine Speckrolle, die er unglaublich sexy findet. Letzte Nacht hat sie viel Zeit damit verbracht, sich wegen dieser Rolle Sorgen zu machen; sie hat die

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