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Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Puppe: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Hände daraufgelegt und gefleht: »Sieh mich nicht an – bitte nicht.« Jetzt fragt sie: »Im Ernst? Fett?«
    »Melanie – da ist nichts. Ich sehe dich an, und wenn du die Wahrheit wissen willst: Ich denke nicht daran, wie dünn du bist, sondern daran, dass ich am liebsten wieder mit dir ins Bett gehen will.«
    Sie entspannt sich, kichert und winkt ab. »Also wirklich …«
    »Im Ernst.«
    Sie wird rot, öffnet den Mund und denkt ernsthaft über diese Möglichkeit nach, aber dann fällt ihr anscheinend ein, dass sie arbeiten muss. Sie schaut auf die Uhr. »Aaaaach, AJ …?«
    »Dann heute Abend? Nach dem Dienst?«
    »Wüsste nicht, warum nicht.«
    »Abgemacht.«
    Er nimmt den Kampf mit der Wannenverkleidung wieder auf. Ganz so einfach ist es nicht – eine der Schrauben sieht aus, als sei sie mit Gewalt herausgerissen worden, und die Glasfaserplatte ist gerissen. Er fragt sich, wie das passiert sein mag – es sieht aus, als ob jemand mit Gewalt daran gezerrt hätte. Jonathan Keays Gesicht erscheint vor seinem geistigen Auge. Es überrascht ihn, dass Jonathan bei Melanie nirgends Hand angelegt hat. Vielleicht war er nicht der »Heimwerker«-Typ.
    »Das ist komisch.«
    Er hört auf zu arbeiten und drückt das Kinn an die Brust, damit er Melanie im Schlafzimmer sehen kann. Sie hat ihre offene Handtasche auf dem Schoß und runzelt verwirrt die Stirn.
    »Was ist komisch?«
    Sie sieht zu ihm herüber. »Ich weiß nicht. Mein Armband. Es war hier drin. Jetzt ist es weg.«
    »Armband?«
    »Ja, ich …« Sie wühlt in der Handtasche. »Ich habe es gestern Morgen hineingetan. Habe es im Büro abgenommen, weil es nur unnötig auffallen würde.« Grimmig hebt sie die verbundene Hand. »Ich dachte, dann glotzen alle nur noch mehr.«
    »Was für ein Armband?«
    »Ein kleines Ding, nur ein kleines Ding. Jonathan hat es mir geschenkt.«
    Er rutscht unter der Wanne hervor und stützt sich auf die Ellenbogen, damit er sie richtig sehen kann. Sie ist wirklich beunruhigt und reißt hastig die Sachen aus der Handtasche. »Verdammt«, sagt sie. »Verdammt.«
    Sie sieht, dass er sie beobachtet, und hört auf. Sie fasst sich wieder und lächelt matt. »Na ja.« Müde reibt sie sich den Nacken, als wollte sie sagen, damit müsse man rechnen. »Es war nichts wert. Überhaupt nichts.«
    AJ glaubt, dass sie lügt. Das Armband war keineswegs »überhaupt nichts« wert, glaubt er. Es hat ihr viel bedeutet. Die Eifersucht ist wie ein unerwarteter Stich. Aber er muss sie herunterschlucken. Er schiebt sich wieder halb unter die Wanne und arbeitet an der Verkleidung.

Zeldas Spind
    Einer der Langzeitinsassen von Beechway ist gestern entlassen worden, und normalerweise würde diese Änderung der Dynamik die anderen Patienten unruhig machen. Aber heute scheint es tatsächlich das Gegenteil zu bewirken. Die Klinik wirkt so ruhig wie seit Monaten nicht. Nirgends ein Alarm, keine Krisen, keine Krankenwagen, weder Drohungen noch Tränen noch größere Inkontinenz-Dramen. Die Klinik driftet in einem traumlosen Zustand der Ruhe dahin.
    Bei Tageslicht ist AJs Büro ganz anders. Er versteht nicht, warum er vorgestern Nacht nicht hierbleiben wollte. Was hat ihn nervös werden lassen? Dunkelheit macht Angst; das ist einer der primitivsten menschlichen Instinkte. War es die gleiche Angst, die letzte Nacht diese dunkle Spur in Melanies Garten hervorgezaubert hat? Nein, die Spur war da. Die haben sie sich nicht eingebildet. Es ist nur die Atmosphäre in der Klinik – all diese verrückten Ideen und Gerüchte –, was seine und Mels Fantasie Überstunden schieben lässt.
    Er versucht die Aufzeichnungen der Hausmeisterei für den Tag zu finden, an dem Moses sich das Auge aus dem Kopf gelöffelt hat, aber Melanie hat recht: Sie sind entweder gelöscht worden oder so tief in der großen bürokratischen Maschinerie vergraben, dass man sie nie wiederfinden wird. Ein Teil der Unterlagen, die mit Zeldas Tod zu tun haben, liegt in seinem Büro, und so wendet er sich ihnen zu. Es gibt Formulare auszufüllen, Briefe zu schreiben, ihre Hinterlassenschaft muss geregelt werden, und wenn der Untersuchungsrichter den Leichnam freigibt, wird die Klinik wenigstens so tun müssen, als beteilige sie sich an den Bestattungsformalitäten. Wahrscheinlich wird Melanie aus Respekt an der Beerdigung teilnehmen. AJ könnte sie begleiten, doch das wäre Heuchelei. Er konnte Zelda nicht ausstehen. Er kann nicht zu ihrer Beerdigung gehen und für die Familie den Trauergast spielen.
    Auf

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