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Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Puppe: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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dass die, die drinbleiben müssen, auch drinbleiben. Und damit die, die sie nicht mehr behalten müssen, gehen können.«
    Pilson macht den Mund zu. Fast kann man hören, wie seine Zähne aneinanderklappern. »Sie haben ihn rausgelassen? Soll das ein …? Müssen sie es uns nicht sagen, wenn sie so jemanden entlassen?«
    »Unser Dezernat wurde informiert, wie es Vorschrift ist. Obwohl die meisten Beteiligten inzwischen im Ruhestand sind wie Sie zum Beispiel. Außerdem, was hätte man zu befürchten? Die Ärzte sagen, er ist stabilisiert. Der Ausschuss nimmt nicht an, dass er eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt.«
    An Pilsons Schläfe pulsiert eine Ader. Er wirft einen Blick zur Küche, wo seine Frau ist.
    »Möchten Sie, dass ich ihr sage, sie soll die Türen abschließen?«, fragt Caffery. »Wäre Ihnen dann wohler?«
    »Die wissen nicht, was sie da getan haben. Ihn rauszulassen …«
    »Aber Sie wissen es. Wer hat Sie damals angerufen? Wen schützen Sie?« Eine halbe Minute lang sagt Pilson kein Wort. Er atmet nur tief ein und aus und schüttelt ab und zu den Kopf. Dann langt er über den Tisch und dreht die Tatortfotos um, sodass sie mit der Bildseite nach unten liegen.
    »Meine Schwester«, sagt er schließlich kläglich. »Ich wollte Penny schützen.«
    Die alte Mühle
    Die Geschichte, die Harry Pilson erzählen kann, ist alt und Caffery betrüblich vertraut, denn er hat im Laufe der Jahre schon jede erdenkliche Geschichte über Ehebruch gehört. Jede mögliche Kombination, jede vorstellbare Wendung. Trotzdem hat er unwillkürlich Mitleid mit dem Mann. Je mehr er erzählt, desto besser kann Caffery verstehen, warum er gelogen hat.
    Vor fünfzehn Jahren hatte Pilsons Schwester Penny – die damals verheiratet war – eine Affäre mit Graham Handel, Isaacs Vater. Am Tag der Morde ging sie hinauf zum Haus, um mit ihm zu sprechen. Sie wollte die Affäre beenden. Als sie ankam, waren Graham Handel und seine Frau seit ein paar Stunden tot.
    Penny wusste, dass sie die Polizei rufen musste, aber sie wusste nicht, wie sie ihrem Mann erklären sollte, dass sie auf der Upton Farm gewesen war. Deshalb erklärte Harry sich bereit, sie zu decken. Zusammen dachten sie sich den Anruf aus. Eine erfundene Frau, einen erfundenen Namen, eine erfundene Adresse.
    »Sie hält sich von mir fern«, sagt Harry. »Oder ich mich von ihr. Ich glaube, sie schämt sich noch heute – es war ein trostloser Moment in ihrem Leben. Wenn Sie sie sehen, grüßen Sie sie von mir? Sagen Sie ihr, ich denke immer noch an sie. Und fragen Sie sie, wie es dieser Mischlingstöle geht, die sie da hat.«
    Von dem Mann, den sie schützen wollte, ist Penny inzwischen geschieden, und sie wohnt im letzten Haus des Dorfes. In der alten Mühle. Harry hat Caffery erzählt, es ist das Haus, auf dessen Dach Gras wächst, und er sieht es sofort, sogar im Dunkeln: Wie grüner Schaum liegt es auf den alten Tonziegeln. Vor den Fenstern sind Läden im Schweizer Stil – mit einem herzförmigen Loch in der Mitte, und ein handgeschnitztes Firmenschild hängt über der Veranda: Forager’s Fayre, Hausgemachte Marmeladen .
    Er muss laut klopfen, um sich bemerkbar zu machen. Als die Tür geöffnet wird, sieht er, dass Penny ganz anders ist als ihr Bruder. Viel jünger – wahrscheinlich Mitte vierzig – und sehr hübsch. Ihre Augen sind dick mit Kajal umrandet, und sie trägt eine leuchtend hennarot gefärbte Pixie-Frisur. Mit leise fragendem Lächeln sieht sie ihn an.
    »Ja?«
    »Penny Pilson?«
    »So heiße ich.«
    Er hält seinen Ausweis hoch. »Haben Sie einen Moment Zeit? Nur ein paar Routinefragen.«
    Penny macht ein etwas erschrockenes Gesicht. Aber sie fragt ihn nicht, was für Routinefragen das sind. Sie hält ihm die Tür auf und lässt ihn eintreten. Der Flur ist schmal, und die Wände sind nacktes Mauerwerk. Auch der Boden besteht aus Stein, und die Füße, die hier jahrhundertelang hin und her gegangen sind, haben zwei deutliche Furchen darin hinterlassen. Penny winkt ihm, er solle ihr folgen, und geht durch den Korridor voran. Sie ist klein und hat eine üppige Figur. An den Armen trägt sie eine Kaskade von Armreifen, ihre Jeans ist verschlissen, und an den zierlichen, trotz der Kälte bloßen Füßen trägt sie perlenverzierte Riemchensandalen.
    Sie kommen in einen hohen Raum mit Backsteinwänden, der durch einen großen Holzofen in der Mitte gewärmt wird. Das eine Ende sieht aus wie eine kommerziell betriebene Küche: Töpfe im Industrieformat sieden

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