Die Puppenspieler
und murmelte etwas in sich hinein. Eberding gab einen ebenso unverständlichen Kommentar. Er hatte keine Verwendung für Bildhauer. Aber er fühlte sich nun verpflichtet, seine Gehilfen ebenfalls vorzustellen. »… Wolfgang Schmitz, und das ist Richard Artzt.«
»Ah ja«, sagte Lorenzo, »Pico della Mirandola hat mir von Euch erzählt, Riccardo. Meinen Glückwunsch – es gelingt nicht vielen, Pico zu beeindrucken.«
»Ich war der Beeindruckte«, entgegnete Richard und spürte die neugierigen Blicke der anderen Deutschen wie Brennesselstiche. Den Florentinern fiel nichts weiter auf. Lorenzo versuchte bei seinen Gastmählern immer, auf so viele der Anwesenden wie möglich einzugehen.
Richard war erleichtert, daß Lorenzo nun auch mit den anderen Gehilfen ein paar Worte wechselte, und entspannte sich. Eine Weile lauschte er der Musik im Hintergrund und verzehrte mit Genuß die delikat zubereiteten Fische. Er hielt Ausschau nach Mario, konnte die schwarze Kutte des Augustiners jedoch nirgendwo entdecken. Als ihm ein Page von dem Spanferkel anbot, das man eben auf Spießen hereingebracht hatte, lehnte er dankend ab.
Etwas später spürte er, daß die Speisen ihn durstig gemacht hatten, und er schaute sich nach dem Pagen um. Er entdeckte ihn schließlich, einen Weinkrug in der Hand, wie erstarrt hinter Lorenzo stehend. Richard wollte ihn anrufen, doch etwas in der völligen Reglosigkeit des Pagen hielt ihn zurück. Es war ein blonder, etwas dicklicher Jüngling, in das Rot und Weiß der Medici gekleidet, der ihm irgendwie bekannt vorkam.
Endlich hob der Page eine Hand, murmelte etwas, zu leise, um es Richard verstehen zu lassen, und strich über den Weinkrug. Er trat vor und füllte mit einer präzisen, geschmeidigen Geste Lorenzos Becher.
Von dem, was nun geschah, wurden in Florenz bis zum nächsten Morgen mindestens ein Dutzend verschiedene Versionen herumerzählt. Die einen schworen, der junge, dunkelhaarige Tedesco aus dem Fondaco sei mit einem einzigen Satz quer über den Tisch gesprungen und habe Lorenzo den Becher aus der Hand geschlagen, die anderen sagten, nein, er habe sich auf den Pagen gestürzt und diesen niedergerungen. Einmal galt Richard als Held, der Il Magnifico das Leben gerettet habe, dann wieder hieß es, er sei ein Mitverschwörer, den nur in letzter Sekunde die Reue gepackt habe. Warum sonst hätten die Wachen, die wie aus dem Nichts auftauchten und den Pagen abführten, auch ihn wegbringen sollen?
Florenz brodelte bereits vor Gerüchten, als Richard noch in Lorenzo de'Medicis Studiolo saß und sich wartend die Zeit damit vertrieb, die Einrichtung des Raums zu bewundern. Es war eindeutig, daß dieser Raum allein der Entspannung diente, obwohl an der rückwärtigen Wand ein kleiner Schreibtisch stand. Richards Augen wanderten von den Kameen und Flachreliefs über die in sanften Farben gehaltenen Tafelbilder bis zu den antiken Bronzen. In dem Kamin, auf dessen Sims ein nackter Herkules stand, erhellte ein kleines Feuer den Raum. Richard wußte nicht, wohin er zuerst schauen sollte; endlich blieb sein Blick an der Faunsmaske hängen, die an der Wand hing. Der Marmor sah zu hell, zu … frisch aus, als daß es sich um ein Werk der Antike handeln konnte.
»Eine Arbeit von Michelangelo Buonarroti. Erstaunlich, nicht wahr?« Il Magnifico trug eine nachtblaue festliche Robe, doch inzwischen wirkte sie verknittert. Lorenzo durchquerte den Raum und ließ sich auf einem der bequemen Sessel nieder.
»Warum«, fragte er ernst, »hat mir Mario nicht erzählt, daß die von Pazzi bestochenen Helfer Teufelsanbeter sind?«
Lorenzo kam offensichtlich gerade von der Vernehmung des Pagen, schlußfolgerte Richard. Er bemühte sich, ruhig und sachlich zu wirken und nicht an die möglichen Konsequenzen zu denken, die sich aus Lorenzos Fragen ergaben.
»Das ist meine Schuld. Ich hatte ihn darum gebeten, da ich«, Richard stockte kurz, »befürchtete, sonst würde in Florenz hinter jeder Haustür die Suche nach Hexen beginnen.«
Lorenzo seufzte. »In der Tat. Ich habe als Kind einmal eine solche Hexenjagd erlebt, glaubt nicht, ich könnte Euch nicht verstehen. Aber ich kann auch keine Gruppe von möglichen Mördern mitten in Florenz dulden. Meine Leute haben Anweisung, bei den Verhaftungen äußerst vorsichtig vorzugehen und auf keinen Fall Vittorio de'Pazzi oder die schwarze Messe zu erwähnen. Nur, eine undichte Stelle gibt es immer. Hoffen wir, daß der Jagdeifer sich in Grenzen hält.«
Richard blieb stumm.
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