Die Puppenspieler
unterbrechen und den Leuten ausführlich alle Einzelheiten erläutern würdet – seid Ihr ernsthaft der Meinung, sie würden Euch anhören? Menschen wie diese glauben das, was sie glauben wollen, und sie wollen etwas Starkes, Magisches, das sie anbeten können. Ihr brauchtet schon ein unglaubliches Glück, um überhaupt wieder lebendig ans Tageslicht zu kommen.«
Mario hielt inne. »Vielleicht ist es gut, wenn Fra Savonarola hierherkommt und Pico recht mit ihm behält«, murmelte er. »Die Menschen haben das Vertrauen in die Kirche verloren und wenden sich nächtlichen Spukgestalten zu. Er könnte sie wieder zurückführen.«
Er räusperte sich. »Aber zurück zu Euch, Riccardo. Was den zweiten Teil Eures Plans anbelangt, so stimme ich zu, die Anführer müssen unschädlich gemacht werden. Nur, wenn Ihr ihnen droht, werden sie Euch auslachen. Welche Beweise habt Ihr schon? Außerdem seid Ihr ein Fremder und damit nicht aussageberechtigt hier in Florenz.«
Richard kam sich vor wie damals, als ihm Bruder Albert eine schlechte Argumentation nachgewiesen hatte. Es war dasselbe peinliche Gefühl, und er haßte es. Doch die Logik zwang ihn zu der Erkenntnis, daß der andere im Recht war. Unmutig gab er zurück: »Und was schlagt Ihr statt dessen vor … Padre?«
Mario blieb stehen und hob in einer sehr florentinischen Geste die Hände. »Das liegt doch auf der Hand. Ihr und ich werden diesem weißgesichtigen Messer vor den Gewölben auflauern und ihn vor die Wahl stellen: Entweder die Inquisition oder … Wohlgemerkt, ich werde sprechen. Ihr macht bei der Sache nicht den Mund auf. Vielleicht erfahren wir so sogar den Namen des Mörders. Übrigens, das erinnert mich an etwas. Il Magnifico möchte Euch seinen Dank aussprechen, bevor er Florenz verläßt. Damit das niemandem auffällt, insbesondere unserem Freund Vittorio und seinen Spionen nicht, wird er Euren ganzen Fondaco in die Via Larga einladen.«
Sie berieten noch eine ganze Weile über den nächsten Sonntag, die einzige Möglichkeit, den unbekannten Belialpriester zu finden, und Richard entschloß sich, Mario von dem Mädchen aus der Schenke zu erzählen, um auszuschließen, daß Lauretta dabei zu Schaden kam. Erst als er wieder inmitten von Waren und Rechnungen saß und fast einen Streit mit Wolfgang Schmitz gehabt hätte, fiel ihm auf, daß Fra Mario ihn während ihres Gespräches niemals an die Gegenleistung erinnert hatte, die er dem Mönch versprochen hatte.
Anton Eberding nahm die Einladung in den Palazzo Medici mit einiger Verwirrung und Freude entgegen. Das Fondaco lief soweit gut an, nur mit der Calimala gab es noch immer Schwierigkeiten, und er hätte gern mit Lorenzo de'Medici darüber gesprochen. Doch seit mehreren Wochen hatten dessen Angestellte immer erklärt, Il Magnifico sei zu beschäftigt. In Eberding waren schon schwere Befürchtungen wach geworden, und er sah mit unangenehmer Deutlichkeit einen scharfen Tadel von Jakob Fugger voraus. Kein Wunder, daß er die Kuriere aus Augsburg nicht sehr gutgelaunt empfing. Andererseits, was sollte er denn tun? Die Florentiner waren noch glattzüngiger als die Venezianer, wenn es darum ging, sich um Verpflichtungen herumzureden.
Er scharte seine Gehilfen um sich wie ein Feldherr seine Mannen und wies sie an, ihre Festtagskleidung anzulegen; Prunk und äußeres Erscheinen waren sehr wichtig in Florenz. »Und alle«, ein strenger Blick auf Richard Artzt, der inzwischen wohl begriffen hatte, daß er nicht mehr war als die anderen auch, »bleiben in meiner Nähe!«
Die Schwaben hatten sich zwar schon etwas eingelebt, doch die Zwanglosigkeit der italienischen Gastmahle wirkte immer noch ein wenig befremdend auf sie, besonders, da es keine feste Tischordnung gab. Eberding war nicht zimperlich, wenn es um Geschäfte ging, aber er hielt es dennoch nicht für passend, sofort damit herauszuplatzen. Er ließ sich mit seinen Gehilfen am linken Tischende nieder. Lorenzo unterhielt sich gerade mit einem etwas mürrisch aussehenden Jungen, der sich in seiner Umgebung nicht sehr wohl zu fühlen schien, doch er bemerkte Eberding sofort und begrüßte ihn namentlich.
Wider Willen fühlte der Leiter des Fondaco sich geschmeichelt. Er war Lorenzo de'Medici erst einmal begegnet, doch offensichtlich hatte er Eindruck gemacht.
»Es freut mich, daß Ihr Eure jungen Leute mitgebracht habt«, erklärte Lorenzo. »Das hier ist Michelangelo Buonarroti, Bertoldos bester Schüler im Garten der Bildhauer.«
Der Junge errötete
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