Die Puppenspieler
es ist etwas geschehen, was du wissen solltest. Laß dir von Mario berichten.«
Während Marios Erzählung verfinsterte sich Lorenzos Miene mehr und mehr. Er spürte, wie Zorn in ihm aufstieg, jenes heftige, schwer zu bändigende Gefühl, das danach verlangte, zu töten oder töten zu lassen. »Vittorio de'Pazzi!« Zischte er, als Mario geendet hatte, und spie den Namen aus, als handle es sich um eine Obszönität. »Seit zehn Jahren gab es in Florenz keine Familienfehden mehr. Das war ihm offensichtlich zu lange.«
»Warum ist er wohl selbst gekommen, statt einen anderen zu schicken, wo er doch genau weiß, was ihm droht?« fragte der alte Marsilio, der die Nachricht noch nicht ganz verarbeitet hatte, verwundert. Lorenzo hob den Kopf.
»Er möchte es selbst erleben, wenn ich sterbe, er möchte dabei sein.«
In diesem Punkt verstand er Vittorio de'Pazzi besser, als ihm selbst lieb war. Doch jetzt war nicht der Zeitpunkt, um über derartige Gefühle nachzudenken. Abrupt sagte Lorenzo: »Von der Geschichte darf auf keinen Fall etwas bekannt werden. Wenn sich herumspricht, daß ein Pazzi wieder in Florenz ist, werden auch noch andere laut von neuem Vendetta schwören. Auch Francesco Nori wurde damals im Duomo umgebracht, als er mich verteidigte, und die Nori haben mir nie verziehen, daß ich Giovanni und Guglielmo am Leben ließ. Und sie sind nicht die einzigen. Wir müssen Vittorio heimlich dingfest machen und ebenso die Männer, die er beauftragt hat.«
»Ich bin nicht sicher, ob es nur Männer sind«, warf Mario ein. Er hatte bei seinem Bericht nichts von Belials Gemeinde erwähnt, sondern vorgegeben, ein Freund von ihm habe zufällig nachts Vittorio de'Pazzi und seinen Gefährten an einer Straßenecke von Santa Croce belauscht.
»Er könnte auch eine Magd bestochen haben. Etwas Gift in Euren Becher genügt schon, Magnifico.«
»Ich kann unmöglich bei jedem Bissen, den ich zu mir nehme, einen Vorkoster einsetzen«, sagte Lorenzo energisch. »Wir müssen dem Mörder eine Falle stellen, anders geht es nicht. Doch abgesehen von der unmittelbaren Gefahr – der Zeitpunkt gibt mir zu denken.«
Er trommelte nervös mit den Fingern auf dem Tisch. Das sanfte Licht der Kerzen ließ seine scharfen Züge weicher erscheinen. »Pazzi verläßt sich darauf, daß die Riario, wahrscheinlich Girolamo selbst, mit ihrem Geld hinter ihm stehen. Girolamo Riario hat seine eigenen Gründe, mich tot zu wünschen, doch er tut nichts, was dem Papst mißfällt, dazu ist seine Stellung in Rom seit dem Tod des letzten Papstes viel zu unsicher.«
Marsilio Ficino sagte langsam: »Ihr meint, daß der Heilige Vater …«
»Ich glaube nicht, daß er es abgesegnet hat, wie sein Vorgänger. Aber er könnte stillschweigend seine Billigung gegeben haben. Florenz und die Medici sind jedem Papst ein Dorn im Auge.«
Keiner der Anwesenden machte sich darüber Gedanken, dergleichen vor einem Mönch auszusprechen. Fra Mario war, wie die meisten Mönche in Florenz, in erster Linie Florentiner. Bei Lorenzos Exkommunikationen hatte sich die ganze Stadt hinter ihn gestellt, einschließlich der Orden.
»Ich glaube, wir könnten in Florenz irgend jemanden gebrauchen, der sich gelegentlich als Druckmittel einsetzen läßt, damit sich solche … Billigungen nicht mehr wiederholen«, schloß Lorenzo. Er hatte seinen Sohn Giovanni nicht zuletzt deshalb für ein hohes Kirchenamt bestimmt, doch es würde noch Jahre dauern, bis Giovanni alt genug war, um als Kardinal handeln zu können.
Pico della Mirandola, in der Lombardei deutlich schmaler geworden, beugte sich vor. Lebhaft warf er ein: »Ich habe da jemanden kennengelernt … einen ganz außergewöhnlichen Mann. Der beste Prediger, den ich je gehört habe, und er geißelt die Mißstände der Kirche erbarmungslos. Wenn du ihn unterstützt, Lorenzo, wenn er bekannt wird und überall Gehör findet, dann könnte sich die Welt ändern. Und du hättest keine Schwierigkeiten mehr mit dem Papst.«
»Ist der Mann auch gebildet?« forschte Ficino besorgt. »Eiferer gibt es überall.«
Pico war fast entrüstet. »Er kennt Aristoteles so gut wie Thomas von Aquin. Er ist ein Heiliger, das beschwöre ich.«
Lorenzo lächelte schwach. »Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Wie heißt dieses Wunder?«
»Fra Girolamo Savonarola.«
Mario konnte einen verblüfften Ausruf nicht unterdrücken. »Girolamo Savonarola von den Dominikanern? Aber er stammt aus Florenz, ich habe vor etwa zehn Jahren einmal eine seiner
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