Die Puppenspieler
Er starrte auf die Faunsmaske, ohne sie wirklich zu sehen. Endlich sagte er: »Dann hat der Page also alles gestanden?«
»Alles, bis hin zu den Namen der einzelnen Mitglieder. Übrigens spricht das dafür, daß dieser Belial-Kult noch nicht lange besteht, sonst wäre der Anführer erfahren genug gewesen, um für einen Mord jemanden zu nehmen, der ihn nicht kennt.«
Richard überlegte noch, wie er seine Bitte am besten formulieren könnte, als Lorenzo, der ihn aufmerksam beobachtete, bemerkte: »Selbstverständlich werden die meisten dieser Toren mit ein paar Tagen Haft und einer Kirchenstrafe davonkommen, wie etwa die Teilnahme an regelmäßigen Buß- und Fastenübungen. Ich möchte behaupten, daß so etwas für jeden sehr ernüchternd wirken dürfte.«
Noch wagte Richard nicht, seiner Erleichterung Raum zu geben. Er räusperte sich und meinte: »Da ist jemand, eine von denen, die es nicht verdient, auch nur verhaftet zu werden.«
Zuerst zögernd, dann immer flüssiger erzählte er Lorenzo von der kleinen verzweifelten Magd in der Schenke und schloß mit der Bitte, sie nicht zu behelligen und ihr, wenn möglich, irgendwoanders Arbeit zu verschaffen.
»Nun, das läßt sich gewiß machen«, sagte der Medici. »Ich werde diesbezügliche Anweisungen erteilen. Aber Ihr, Riccardo, was ist mit Euch? Ihr habt mir das Leben gerettet, eigentlich sogar zweimal, durch Eure Warnung und Euer Handeln.«
Richard versuchte, sich wie ein Held zu fühlen, doch es gelang ihm nicht. Die einzige Empfindung, zu der er in der Lage war, schien dumpfe Erleichterung zu sein und die leise, immer noch pochende Sorge, daß er Lorenzos Vorsichtsmaßnahmen zum Trotz dennoch der Auslöser für eine Wiederholung der Ereignisse von Wandlingen gewesen war. In seinem Bemühen, die Existenz von Hexen zu widerlegen, war er keinen Schritt weitergekommen. Er schüttelte den Kopf und versuchte, sich auf das Gespräch zu konzentrieren.
»Ich tat nur, was jeder andere an meiner Stelle auch getan hätte.« Lorenzo lächelte, und sein Gesicht mit den holzschnittartigen Zügen wirkte mit einem Mal gelöst. »Das bezweifle ich. Gibt es nichts, was Ihr Euch für Euch selbst wünscht, keinen Gefallen, den ich Euch erweisen könnte?«
Richard lag schon ein ›Nein‹ auf der Zunge, da fiel ihm etwas ein. Er strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn und fragte sich dabei, ob er zu unbescheiden war.
»Doch … es gibt da zwei Dinge.«
Er holte tief Atem. »Es würde mir sehr daran liegen, wenn die Calimala mit dem Unternehmen Fugger statt mit, nun, französischen Kaufleuten arbeiteten … und ich wollte schon immer an der platonischen Akademie studieren!«
Lorenzo de'Medici war nicht leicht zu verblüffen, aber diesmal brauchte er einige Sekunden, um sich von der Überraschung zu erholen. Er musterte Richard, dem man nicht die geringste Unsicherheit mehr anmerken konnte, und seine Mundwinkel zuckten.
»Wie alt seid Ihr, Riccardo?«
»Gerade siebzehn.«
»Per Bacco «, sagte Lorenzo, »ich möchte nicht mit Euch verhandeln, wenn Ihr erst in mein Alter kommt. Also schön, ich werde dafür sorgen, daß die Calimala Euch alle Konzessionen zugestehen, die Ihr haben wollt. Was die platonische Akademie angeht«, er blinzelte dem Deutschen zu, »wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Wissen an alle, die dafür offen sind, weiterzugeben. Und außerdem, wie könnte ich meinen Freunden die aufschlußreiche Erfahrung verwehren, mit Euch zu disputieren?«
Richard verbrachte den nächsten Tag damit, den neugierigen Fragen aller Fondaco-Angehörigen mit einer Miene geheimnisvoller Undurchdringlichkeit auszuweichen, was ihm ein diebisches Vergnügen bereitete, auch wenn es, wie er sich selbst eingestand, kindisch war. Im übrigen kam er zu aller Verwunderung seinen täglichen Pflichten beim Goldhandel und der Buchhaltung nach, präsentierte Eberding seine eigene monatliche Abrechnung und die des gesamten Gold- und Stoffbereichs und schrieb am Spätnachmittag bester Laune einen ausführlichen Brief nach Augsburg.
»Daher glaube ich«, schloß er triumphierend, »daß Ihr Euch wegen der Konzessionen keine Sorgen mehr zu machen braucht.«
Teilweise gelang ihm die Verschlüsselung schon während des Schreibens, und Richard nahm sich vor, so lange zu üben, bis er es nicht mehr nötig hatte, jedesmal alles doppelt zu schreiben. Er schaute aus dem Fenster auf die Sonnenuhr im Hof, die Eberding vor zwei Wochen dort hatte aufstellen lassen, und kniff die Augen zusammen, um
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