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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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anfangen, sonst wird es gar nicht erst gelesen. Zum Beispiel wird man dir sofort das Argument entgegenhalten, Gott würde es nicht zulassen, daß Unschuldige verurteilt werden; das solltest du erst einmal entkräften, wenn du willst, daß man dir zuhört.«
    Richard wollte protestieren, daß dieses Argument überhaupt keines wäre, doch dann biß er sich auf die Lippen und schwieg. Tatsächlich hatte Mario recht. Für ihn, Richard, mochte es überhaupt keine Frage sein, daß Gott den Tod von Unschuldigen zuließ, aber für die Leute, an die sein Buch gerichtet sein sollte, war dieses Argument sehr wohl schwerwiegend. Er dachte darüber nach und meinte schließlich:
    »Mario, warum schreibst du mir nicht eine Argumentation wie die von Sprenger und Institoris, damit ich sie Punkt für Punkt entkräften kann?« Er konnte nicht widerstehen, ein wenig stichelnd hinzuzufügen: »Eine Argumentation ganz nach den Richtlinien der heiligen Kirche.«
    Im Skriptorium hatte man sich längst an den Besucher gewöhnt, der ständig mit Fra Mario zusammensteckte, so daß man Richard erst bat, zu gehen, als sich außer ihm kein Laie mehr in der Bibliothek befand. Er und Mario waren so beschäftigt gewesen, daß sie die hereinbrechende Dämmerung nicht bemerkt hatten.
    »Laß uns zusammenfassen, was wir haben«, sagte Mario bei ihrem nächsten Treffen, während Richard die Schachfiguren aufstellte. Der Umstand, daß Mario sich als geübter Schachspieler erwiesen hatte, war eine angenehme Überraschung für ihn gewesen und sorgte dafür, daß er selbst bei diesem Spiel in Übung blieb.
    »Der erste Punkt. Läßt Gott zu, daß Unschuldige in die Hexenprozesse hineingeraten? Darauf schreibst du, Gott habe auch den Tod der Märtyrer zugelassen, was ich für ein ausgezeichnetes Argument halte, aber ob du in diesem Zusammenhang auch unsern Herrn Jesus als Beispiel für einen zu Unrecht Verurteilten aufführen solltest, weiß ich nicht.«
    »Warum nicht?« erkundigte sich Richard mit hochgezogenen Brauen. »Findest du das blasphemisch?«
    »Nun, sagen wir es so …«
    Auf diese Weise vergingen Wochen und Monate, und als Richard zu einer Reise nach Venedig aufbrach, stellte er erstaunt fest, daß er schon über ein Jahr in Florenz lebte.
    Es gab Probleme mit dem venezianischen Senat, der inzwischen natürlich gemerkt hatte, daß ein Teil des normalen Gewinns aus dem Fondaco dei Tedeschi nun fehlte und statt dessen über Florenz lief. Richard sollte als Repräsentant des florentinischen Fondaco seine diplomatischen Fähigkeiten einsetzen und die Herren gemeinsam mit Hänsle als Vertreter der Familie Fugger soweit wie möglich beschwichtigen. Außerdem hatte er sich vorgenommen, auf dem Weg nach Venedig in Bologna und Ferrara haltzumachen. Diese beiden Städte, so hörte man in Florenz, hatten neue Architekten angeworben, um ihre Stadtmauern zu verstärken und umzubauen, denn die laufend weiterentwickelten Kanonen spielten in jeder kriegerischen Auseinandersetzung eine immer wichtigere Rolle. Dem wollte man begegnen.
    Richard nahm an, daß diese neuen Befestigungen Jakob sehr interessieren würden. Denn schließlich lieh man Maximilian nicht nur das Geld, um Kanonen zu erwerben, sondern verkaufte dem Habsburger eben diese Kanonen, hergestellt in den fuggereigenen Gießereien aus dem Erz, das ebenfalls so gut wie ausschließlich in Fuggerhand war.
    Bologna, mit mehr als vierhundert Jahren die älteste Universitätsstadt Italiens, blieb jedoch hinter Richards Erwartungen zurück. Er skizzierte zwar die Bauanlagen und Festungsmauern, so gut er konnte, schnappte auch einigen Klatsch von den Handwerkern auf, doch es gelang ihm nicht, mit den Architekten selbst zu sprechen. Da er der Angelegenheit im Moment nicht besondere Dringlichkeit zusprach, hielt er sich in den beiden Städten nicht weiter auf und traf schließlich innerhalb der geplanten Zeit in Venedig ein, wo ihn Hänsle, der sich inzwischen als weitgereister Mann von Welt fühlte und alle Mittel kannte, um die Beschränkungen des Fondaco durch Bestechung zu umgehen, begeistert begrüßte.
    »Wenn ich daran denke, wie rückständig wir in Augsburg waren! Richard, du mußt unbedingt Fiammetta kennenlernen! Ach, übrigens, könntest du Onkel Jakob nicht dazu bekommen, daß er mir das Salär erhöht? Mein Vater jammert in jedem Brief über die Wechsel, die er mir ausstellen muß!«
    Trotz seiner Freude über das Wiedersehen wollte sich Richard nicht länger als notwendig in Venedig aufhalten.

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