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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Die Stadt bedrückte ihn, und mochte es auch nur der Gedanke an den Sklavenmarkt sein, den er bisher sorgsam gemieden hatte. Nein, er würde um keinen Preis der Welt mit Hänsle tauschen wollen, und fast hätte er etwas in der Art gesagt, als er eines Abends von den stundenlangen Verhandlungen mit dem Repräsentanten des Senats zurückkam. Hänsle hatte die Gespräche enthusiastisch mit Richard zusammen begonnen, ihm dann die Sache aber recht schnell alleine überlassen.
    »Ich kann mir einen angenehmeren Zeitvertreib vorstellen, als mit dem alten Sauertopf von Capello Spitzfindigkeiten auszutauschen«, meinte er sorglos, als Richard sich erschöpft in einen der üppig gepolsterten Sessel fallen ließ. »Der wollte übrigens zuerst kaum glauben, daß du zur Familie gehörst, weil du wie ein Florentiner sprichst. Ich wette, inzwischen hast du ihn völlig eingewickelt, obwohl mir nicht klar ist, was das ganze eigentlich soll. Letzten Endes muß er sich doch nach denen richten, die das Geld haben, und das sind wir. Aber ansonsten – sag selbst, ist Venedig nicht die wunderbarste Stadt der Welt?«
    »Ich habe meine Zweifel«, erwiderte Richard trocken. »Und irre dich nicht mit dem Geld. Solange Venedig das Zentrum des Seehandels ist, solange sind die Menschen hier nicht auf ein einziges Unternehmen angewiesen, und sei es auch noch so mächtig. Sie können jederzeit die Welser …«
    »Ach was, die Welser«, winkte Hänsle mit einer großzügigen Handbewegung ab, die gleichzeitig auch alle lästigen Handelseinzelheiten fortzuwischen schien. »Du hättest mich erleben sollen, als dieser eingebildete Sohn vom alten Anton Welser es gewagt hat, mich hier mit ›Hänsle, wie steht es denn am heimatlichen Webstuhl‹, anzusprechen. Für Euch, habe ich da gesagt, für Euch bin ich immer noch Herr Hans Ulrich Fugger oder auch Ulrich Fugger der Jüngere, aber niemals und auf keinen Fall ›Hänsle‹.«
    Richard lachte, dann wurde er ernst. »Nimm es mir nicht übel, aber ich glaube, du machst es dir hier zu leicht.«
    »Und ich glaube«, gab Hänsle ein wenig spöttisch, aber ohne Schärfe zurück, denn es lag nicht in seiner Natur, sich mit Richard zu streiten, »Florenz muß schon ein sehr trauriger Ort sein, wenn du dir in sechzehn Monaten dort nicht ein bißchen Leichtigkeit angeeignet hast.«
    Richard schüttelte den Kopf. »Es ist das Paradies«, sagte er aus voller Überzeugung und entschlossen, so bald wie möglich dorthin zurückzukehren.
    Der Tag hatte die angenehme, nicht mehr so drückende Wärme, die den toskanischen Herbst kennzeichnet, und Richard war bester Laune. Wenn er sich beeilte, konnte er noch vor Einbruch der Nacht in Florenz sein. Er klopfte seinem Schimmel auf den Hals und fiel in eine schnellere Gangart. Kaum eine halbe Stunde später versperrte ein großer, umgestürzter Wagen den Weg. Ein Schwarm von Menschen versuchte, ihn wieder aufzurichten. Er hörte Schreie, Rufe, Kommandos und ritt näher. Jemand bemerkte ihn, ein Pfiff ertönte, und mit einem Mal stockte das emsige Treiben.
    Die unglücklichen Reisenden entpuppten sich als eine Schar dunkelhäutiger, bunt gekleideter Menschen, die sich schweigend zusammenrotteten, als Richard sich ihnen näherte. Sie strahlten Mißtrauen und Feindseligkeit aus, und er wurde sich mit einem Mal des edlen Stoffes bewußt, aus dem seine Kleidung bestand, seines gepflegten Reittieres und seines ganzen damit zum Ausdruck gebrachten Wohlstandes. Wie ärmlich und heruntergekommen wirkten dagegen die mageren Gestalten vor ihm.
    Er hörte jemanden »Gorgio« zischen und wußte, wen er vor sich hatte. So bezeichneten Zigeuner jeden, der nicht zu ihresgleichen gehörte.
    »Wie ich sehe«, sagte Richard laut, »hattet ihr einen Unfall. Ich würde euch gerne helfen.«
    Die Zigeuner rührten sich nicht. Endlich fragte ein älterer, grauhaariger Mann, der wohl so etwas wie der Anführer war: »Warum?«
    Richard schwang sich aus dem Sattel. »Reisende sollten einander immer helfen.«
    »Gorgio«, höhnte eines der Kinder, das sich an die Röcke seiner Mutter klammerte, »hast du keine Angst, wir könnten dein Pferd stehlen und dich umbringen, um an deine Kleider und dein Geld zu kommen?«
    In die Zigeuner kam Bewegung. Sie rückten näher. Ihre Mienen waren unverändert feindselig, und Richard registrierte, daß selbst die Kleinen schon Messer trugen. Unbeeindruckt erwiderte er mit fester Stimme: »Nein.«
    Nicht mehr als dieses eine Wort, doch es genügte, um den

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