Die Puppenspieler
sich mit dem leisen Rauschen der Blätter und ihren eigenen Stimmen zu einem Ganzen verwob.
»Das ist die Nachtigall«, flüsterte Saviya.
Gegen Morgengrauen wurde sie müde und schlief mit dem Rücken gegen einen der Olivenbäume gelehnt ein. Richard beobachtete, wie die ersten Sonnenstrahlen sich über ihr Gesicht stahlen. Ein zärtliches Lächeln zog an ihren Mundwinkeln. Er küßte sie, sehr sachte, um sie nicht aufzuwecken. Ihre Lippen waren sanft und weich, und ihre Haut roch schwach nach Thymian und Farn. Richard deckte sie mit seinem Hemd zu, dann eilte er zum Lager zurück.
Kurze Zeit später war er auf dem Weg nach Florenz.
24
F RA M ARIO V OLTERRA NAHM die Brille ab, die er zur Entzifferung alter Handschriften benutzte, und seufzte. »Du kannst dir nicht vorstellen, was inzwischen geschehen ist, Riccardo«, sagte er. Er rieb sich die Nasenwurzel, wo die Brille Druckstellen hinterlassen hatte, und wies auf einen Stapel Bücher. »Wie du siehst, habe ich einige von den Prozeßabhandlungen, die du noch brauchst, erhalten. Aber verlassen wir besser das Skriptorium. Ich möchte den Bruder Bibliothekar nicht verärgern, und meine Erzählung dauert länger.«
Der Kreuzgang von Santo Spirito wirkte seltsam unbelebt für diese Tageszeit, wie auch die Bibliothek nicht so voll wie sonst gewesen war. Die kurzen Schatten, welche die Mittagssonne warf, fielen wie spitze Nadeln auf den hellen Steinfußboden.
»Im Fondaco schwirrt es auch von Gerüchten«, meinte Richard und setzte sich auf eine der Bänke. »Dieser berühmte Prediger ist endlich eingetroffen, nicht wahr? Wie hieß er doch gleich – Savonarola? Er hat sich Zeit gelassen. Du hast mir doch erzählt, daß ihn Lorenzo schon im letzten Winter eingeladen hat.«
»Hm. Ja. Er ist da und predigt in San Marco. Deswegen sind übrigens auch so wenige Leute hier, unter anderem«, antwortete Mario düster. »Die Mönche in San Marco sind entzückt, unser Abt ist es weniger, aber das ist eigentlich unwichtig. Ganz Florenz drängt sich nach San Marco, um Fra Savonarola zu sehen.«
Richard lachte. »War das denn nicht die Absicht?«
Doch dem Augustiner war nicht nach Scherzen zumute. »Der Mann vergleicht sich gerne mit einem Schwert, und er ist auch eines. Er hat die Stadt gespalten, und ich schließe mich da nicht aus. Ich weiß nicht, was ich … Geh und sieh ihn dir an. Wenn du danach eine feste Meinung über ihn hast, gratuliere ich dir. Ich gebe dir nur einen Hinweis. Er nennt Florenz ›Die Blume der Hölle‹.«
Im Fondaco stand Meister Eberding ein wenig hilflos vor einer Reihe von neuen Lieferungen. »Artzt, ich verstehe das nicht. Die Preise für Goldschmuck fallen, die Preise für bestickte Stoffe fallen, und ein paar Leute wollen mir sogar Gemälde und Statuen für einen absoluten Spottpreis andrehen. Was ist denn nur mit den Welschen los?«
Diese Frage konnte ihm Richard zwar auch nicht beantworten, doch dafür hatte er einen Vorschlag zur Hand: »Wenn Gemälde und Statuen so billig zu haben sind«, sagte er begeistert, »dann muß das Fondaco natürlich sofort kaufen – und …«
Die Andeutung von Hilflosigkeit in Eberdings Miene verschwand augenblicklich. »Kaufen? Schmuck und Juwelen vielleicht, aber dieses überflüssige Gerümpel ganz bestimmt nicht! Die Welschen mögen verrückt geworden sein, aber ich habe mich da noch nicht angesteckt, das kann ich Euch versichern!«
Auf dem Mercato Nuovo rottete sich eine Horde von Halbwüchsigen zusammen und warf mit Steinen nach den Geldwechslern. »Wucherer! Gottlose! Sünder!« schrien sie im Chor. Die Wache der Signoria schaffte bald Ordnung, doch mehr als ein Wechsler klappte seinen Stand zusammen und hastete davon.
In der Via Calimala war Messer Ridolfi gerade dabei, seine Gehilfen zu entlassen. Zwischen den Säulen seiner Loggia türmten sich Stapel kostbarer Seidenstoffe.
»Tut mir leid, Riccardo, aber ich habe mich entschlossen, wieder zu den reinen Wollwaren zurückzukehren. Wir Calimala sollten ohnehin mit nichts anderem handeln. Die Eitelkeit der Welt hat mich lange genug geblendet.«
Am Sonntag war Richard sehr früh in San Marco. Er hatte dieses Kloster noch nie besucht, teils, weil es keinen besonderen Anlaß dazu gegeben hatte, teils, weil es vom Orden der Dominikaner geführt wurde. Seine Freundschaft mit Mario hatte sein Verhältnis zum Klerus zwar etwas entkrampft, doch die ›Hunde des Herrn‹ lösten in ihm nach wie vor einen Schauder der Abneigung aus.
Die im Vergleich zum
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