Die Puppenspieler
erscheinen, und das Volk klatscht ihm Beifall. Ich habe sogar den Verdacht«, der Mönch senkte seine Stimme, bis sie zu einem Flüstern wurde, »daß er zu den Verdammtesten aller Verdammten gehört – zu jenen, die frei sind von Schuldgefühlen. Er sündigt, ohne Reue zu empfinden. Condamnatus est !«
Wider Willen schaute Mario zu der blutbefleckten Geißel. Savonarola packte ihn am Handgelenk. »Reue ist der einzige Weg! Kniet mit mir nieder, Bruder, und wir werden zusammen beten! Ich werde Euch helfen, Euch von dem verderblichen Einfluß des Tyrannen zu befreien und Euch wieder zum Herrn zurückführen!«
Mit einem Ruck machte Mario sich los. »Deswegen haßt Ihr ihn«, sagte er leise. »Nicht wegen seiner Macht, obwohl Ihr gerne die gleiche Macht hättet. Lorenzo ist ein Mensch wie wir alle, Verlusten und Krankheiten unterworfen, die Gicht quält ihn immer mehr, aber dennoch ist er in der Lage, das Leben zu genießen, aus reiner Freude am Dasein – etwas, wozu Ihr nie in der Lage wart, nicht wahr, Bruder! Und deswegen könnt Ihr nicht ertragen, daß es ihn gibt.«
In der Stille, die seinen Worten folgte, hätte man die Sandkörner einer Uhr rinnen hören können; sie lastete schwer auf Marios Schultern, und Verzweiflung ergriff ihn. Welche Chance er auch immer gehabt haben mochte, Savonarola umzustimmen, mit diesen wenigen Sätzen hatte er sie endgültig verloren.
»Es ist wohl besser, Ihr geht jetzt, Bruder«, sagte der Dominikaner kalt. Als Mario sich umwandte, hörte er Savonarola noch hinzufügen: »Fra Mario Volterra. Ihr könnt gewiß sein, ich werde Euch nicht vergessen.«
Auf dem Weg zurück nach Santo Spirito, als er den Ponte Vecchio überquerte, um sich durch den Anblick der Eingeweide und den Gestank von jedem Hungergefühl zu heilen, traf Mario auf einen äußerst beunruhigt dreinblickenden Richard.
»Du … du hast nicht zufällig Saviya irgendwo gesehen?« fragte Richard, nachdem er seinen Freund begrüßt hatte.
Mario war froh, seine Gedanken auf etwas anderes als Savonarola konzentrieren zu können. »Nein, warum? Ihr seid doch zusammen vom Duomo fortgegangen.«
Richard starrte auf seine Hände. »Wir haben uns gestritten«, erklärte er verlegen, um dann ärgerlich fortzufahren, »und ich habe vielleicht Dinge gesagt, die ich nicht hätte sagen sollen, aber sie hat mir noch nicht einmal die Gelegenheit gegeben, mich zu entschuldigen.«
Mario hütete sich, einen Kommentar abzugeben. Alles, was es über Richards Beziehung zu der jungen Zigeunerin zu sagen gab, hatte er schon einmal geäußert, und es schien ihm sinnlos, sich zu wiederholen. Richard trat mit dem Fuß nach einem herumliegenden Stein. »Verdammt, ich mache mir Sorgen!« stieß er hervor. »Sie sollte nicht allein durch die Stadt laufen – wenn sie überhaupt noch hier ist!«
»Oh, sie hat Florenz bestimmt nicht verlassen«, meinte Mario beruhigend. »Nicht eines einfachen Streites wegen. Und außerdem hat sie kein Geld«, schloß er sachlich.
»Du kennst Saviya nicht«, sagte Richard düster, und gemeinsam machten sie sich auf die Suche.
Der Nachmittag neigte sich schon dem Abend zu, als Mario schließlich bedauernd erklärte, er müsse vor Einbruch der Dunkelheit in Santo Spirito zurück sein. Sie trennten sich, und Richard durchstreifte weiterhin ruhelos die Straßen und Gassen von Florenz. Mittlerweile wußte er nicht mehr, ob er zorniger auf Saviya oder auf sich selbst war. Er stellte sich vor, wie sie ermordet irgendwo am Ufer des Arno lag. Und was, wenn sie Florenz tatsächlich verlassen hatte? Niemand in den Schenken und Handelshöfen schien sie gesehen oder von ihr gehört zu haben.
Als ihm schließlich kein Ort mehr einfiel, entschied er sich, im Palazzo Medici nach ihr zu fragen. Immerhin war sie dort einmal aufgetreten und mochte versucht haben, dort übergangsweise eine Stellung oder Geld oder beides zu bekommen.
Er hatte Glück; in der Via Larga traf er mit Angelo Poliziano zusammen, der ihn sofort erkannte. »Ah, unser junger Tedesco«, sagte der Dichter gutgelaunt. »Kommt doch mit mir zu Lorenzo. Il Magnifico hat mir eine schöne Überraschung versprochen, und weiß Gott, die kann ich gebrauchen nach so einem Tag.«
Poliziano hatte auch nichts von Saviya gehört oder gesehen, schlug aber vor, sich bei Lorenzos Haushofmeister zu erkundigen. »Allerdings soll mich der Teufel holen, wenn ich weiß, wo der steckt. Das einfachste wird sein, wir fragen Lorenzo.«
Doch Il Magnifico befand sich nicht in
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