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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Arm erneut um sich. »Wo kommt ihr Zigeuner eigentlich her, mein Herz?« fragte Richard so beiläufig wie möglich. Er spürte, wie Saviya sich ein wenig verkrampfte, und fuhr mit einem Unterton von Schläfrigkeit fort: »Das wollte ich immer schon wissen, und es konnte mir keiner sagen. Der verlorene Stamm Israels, Einwanderer aus dem Feenreich – es gibt wohl ein paar Legenden, aber niemand scheint wirklich zu wissen, woher die Zigeuner kommen.«
    Von seinen ruhigen Worten getragen, entspannte sich Saviya wieder und entgegnete spielerisch: »Dann seid ihr Gorgios und wir einmal gleich, denn wir haben auch nur Legenden. Der Woiwode könnte sie dir erzählen, wenn er wollte, aber die meisten davon sind geheim.«
    Richard stützte sich auf einen Ellenbogen und schaute ihr ins Gesicht.
    »Aber du weißt doch sicher, wo du geboren bist, Saviya, woher dein Stamm kommt.«
    Mit einem Schlag wurde ihre Miene wieder verschlossen. »Nein«, sagte sie kurz.
    »Aber damals, als ihr über die Alpen gereist seid, müßt ihr doch von irgendwoher aufgebrochen sein und …«
    Saviyas Hand legte sich mit jäher Heftigkeit auf seinen Mund. Doch als sie sprach, klang sie nicht wütend, sondern flehend: »Frag mich nicht, bitte, Riccardo, frag mich nicht! Du willst es nicht wissen, du willst es ganz bestimmt nicht wissen. So wenig, wie ich dich frage, wo du herkommst.«
    Richard wollte schon protestieren, doch der Hauch von Verzweiflung in ihrer Stimme ließ ihn innehalten. Es stimmte, sie hatte ihn nie nach seiner Herkunft oder nach seiner Kindheit gefragt; konnte es sein, daß sie noch mehr Schrecken erlebt hatte als den Überfall jener Räuber, bei dem fast all ihre Verwandten und Freunde gestorben waren, daß sie die Erinnerung nicht ertragen konnte, die sie mit sich herumschleppte, so wie ihn lange Zeit die Bürde von Wandlingen fast umgebracht hatte?
    Mario und das Buch, an dem sie beide arbeiteten, hatten ihm geholfen; er glaubte sich geheilt und dachte, auch Saviya würde es besser gehen, wenn sie nur ein einziges Mal von der Vergangenheit spräche. Aber er wollte sie nicht dazu zwingen. Besser war es, dem Ganzen wieder einen scherzhaften Ton zu geben. Er griff nach ihrer Hand, die ihn zum Schweigen gebracht hatte, runzelte die Stirn und machte ein düsteres Gesicht.
    »Du bist entlarvt! Ich weiß, wo du herkommst. Richte dem Herrn, unserm Gott aus, ich erkenne einen Engel, wenn ich ihn sehe, Gabriel!«
    Das brachte sie zum Lachen, und es dauerte noch eine Weile, bis sie voneinander ablassen konnten. Der Dienst im Fondaco wartete auf Richard. Er war sich sehr bewußt, daß sie für ihn in vielem noch ein Geheimnis war wie an jenem Tag, als er sie blutend im Schnee gefunden hatte.

27
    D IE F RAGE , OB ES L ORENZO gelingen könnte, Catarina Sforza, die Witwe seines Erzfeindes Riario, einem der Hauptschuldigen der Pazzi-Verschwörung, mit seinem Vetter zu verheiraten, bot Florenz ausreichend Gesprächsstoff. Zunächst war das ganze nur ein Gerücht, das von vielen belächelt wurde. Dann, als mehr und mehr Boten mit dem Wappen der Sforza und dem der Riario in Florenz auftauchten, verwandelte sich die Stadt in einen Bienenkorb, dessen Gesumme zeitweilig sogar die Bußpredigten Savonarolas übertönte.
    »Unmöglich!« meinte Roberto Salviati, ein Bankier, der viele Geschäfte mit dem Fondaco laufen hatte, als Richard einmal bei ihm zu Gast war. »Catarina Sforza? Das ist keine Frau, das ist eine Tigerin, wie für die Vendetta geboren. Als die Orsi den alten Girolamo endlich umbrachten, ihre Kinder als Geiseln nahmen und ihre Festung stürmten, wißt Ihr, was sie da gemacht hat?«
    Salviati nahm einen kräftigen Schluck Wein und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. »Ihr müßt Euch das vorstellen: Die Orsi standen da unten, hielten den Bälgern ihre Messer an den Hals und drohten, sie umzubringen, wenn Catarina ihnen die Festung nicht überließ. Und sie stand auf der Mauer dort oben, hob ihre Röcke und schrie: ›Ihr Bastarde, ist euch noch nicht der Gedanke gekommen, daß ich noch weitere Kinder bekommen kann! Seht her, ich habe das Instrument dazu, und ich bin wieder schwanger!‹«
    Ein schockiertes Gemurmel ging um den Tisch, obwohl einige die Geschichte schon kannten. »Und haben sie die Kinder getötet?« fragte Salviatis junge Frau entsetzt. Unwillkürlich blickte sie auf ihren eigenen schwangeren Leib hinab.
    Er schüttelte den Kopf und tätschelte ihre Hand. »Nein, nein. Madonna Sforza feuerte zur

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