Die Puppenspieler
seinem Studiolo, als Poliziano und Richard eintraten. Lorenzos Tochter Contessina und der mürrische junge Bildhauer, den Lorenzo, wie sich Richard erinnerte, Meister Eberding und dessen Gehilfen auf einem Fest einmal vorgestellt hatte, standen dort sehr eng beieinander und schauten auf etwas, das von ihren Gestalten verdeckt wurde.
Angelo Poliziano räusperte sich, und die beiden drehten sich erschreckt um. Der junge Mann errötete tief, doch Contessina de'Medici lächelte, als sie Poliziano erblickte.
»Mein Vater wird gleich hier sein, Tio Angelo«, sagte sie unbefangen. »Er wollte dir zeigen, was Michelangelo geschaffen hat.«
Poliziano war sofort Feuer und Flamme. »Soll das heißen«, wandte er sich an den verlegen dreinschauenden Buonarroti, »du bist fertig mit der Zentaurenschlacht? Großartig! Wo ist sie?«
Inzwischen hatte Contessina Richard, der halb hinter Poliziano stand, entdeckt und begrüßte ihn freundlich. »Ihr müßt Angelos Überschwang verzeihen«, sagte sie anschließend. »Wißt ihr, er hat Michelangelo das Thema vorgeschlagen. Und seht selbst …«
Nun, da sie nicht mehr davor stand, konnte Richard an der Wand ein neues Relief hängen sehen. Normalerweise hätte es ihn brennend interessiert, doch heute abend, im Gedanken an Saviya, mußte er sich beinahe zwingen, näherzutreten, um das Werk zu begutachten. Aber dann entfuhr ihm ein leiser Ausruf des Staunens. Anders als bei den griechischen und römischen Reliefs hatten sich hier die Gestalten der kämpfenden Pferdemenschen fast völlig aus dem Hintergrund gelöst, und die ganze Szene vermittelte eine ungestüme Heftigkeit, die sich völlig von dem statischen Ebenmaß der Antike unterschied.
»Wie habt Ihr das gemacht?« fragte er den Schützling der Medici neugierig. »Ich meine, es sieht aus, als würde es gleich auseinanderbrechen, und doch ist es vollkommen fest – als würde der Stein die einzelnen Figuren nur mit Gewalt zusammenhalten können!«
Mit einem Schlag veränderte sich das verschlossene Gesicht des Bildhauers. Michelangelo Buonarroti strahlte. »Genau das wollte ich ausdrücken! Es war …«
Poliziano unterbrach ihn eifrig: »Weißt du, daß du genau das erreicht hast, was wir Platoniker immer wollten? Der Geist von Antike und Neuzeit vereint! Oh, ich sehe große Dinge voraus! Du wirst dich vor Angeboten kaum mehr retten können, glaub mir.«
Mit einem Schlag war die Begeisterung in Michelangelos Miene wieder erloschen. »Ich habe schon ein Angebot«, gab er kurzangebunden zurück. »Von Savonarola. Mein Bruder Lionardo ist Mönch in San Marco und hat es mir ausgerichtet. Man will es verbrennen lassen zur höheren Ehre Gottes.«
»Stein verbrennt nicht«, ertönte vom Eingang die belustigte, aber auch erschöpft klingende Stimme Lorenzo de'Medicis. Er kam herein, und Richard bemerkte, daß er leicht hinkte und sich auf einen Stock stützen mußte.
»Insofern kannst du dich glücklich schätzen, Michelangelo. Sandro Botticellis Gemälde sehe ich da schon in größerer Gefahr, wenn er sich noch ein paar Predigten mehr von unserem allseits verehrten Heiligen anhört.«
Durch die Erwähnung Savonarolas war Richard jäh sein eigentliches Anliegen wieder zu Bewußtsein gekommen, und er schämte sich, Saviya eines Reliefs wegen in den Hintergrund gedrängt zu haben, auch wenn es noch so fesselnd war.
»Messer Lorenzo«, sagte er deswegen rasch, bevor eine neue Diskussion um Savonarola entbrennen konnte, »es tut mir leid, Euch um diese Stunde zu stören, aber ich sorge mich um …« Er stockte. Wie sollte er Saviya bezeichnen? »Um meine Geliebte«, schloß er hastig.
Angelo Poliziano kam ihm zu Hilfe. »Sein Mädchen ist ihm weggelaufen, Magnifico, die kleine Zigeunerin, die hier für Cesare Borgia getanzt hat, du weißt schon. Er dachte, sie könnte vielleicht im Palazzo untergekommen sein, und ich hätte Rumani schon danach gefragt, aber leider habe ich keine Ahnung, wo man hier deinen Haushofmeister auftreiben kann.«
Richard sah sich im Mittelpunkt teilnahmsvoller Aufmerksamkeit und wurde nun ebenso rot wie der junge Bildhauer einige Minuten zuvor. Lorenzo griff nach einem Klingelzug und läutete; binnen kurzem stand Rumani, der Haushofmeister, im Zimmer, und Poliziano flüsterte Richard zu: »Ehrlich gesagt, wir hätten auch den nächsten Diener fragen können, aber ich muß zugeben, ich hatte es eilig und wollte zuerst die Überraschung sehen. Tut mir leid.«
Rumani konnte nur bestätigen, daß Saviya seines
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