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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Saviya sehr nachdenklich: »Wenn du dich wirklich rächen willst, dann sprich mit der Königin.«
    Richard war schon seit längerem neugierig auf ›die Königin‹; er hatte Saviya einmal gefragt, warum er ihr auf ihren endlosen Wegen durch dieses unterirdische Reich noch niemals begegnet war, doch Saviya war ihm die Antwort schuldig geblieben.
    Nun führte sie ihn schweigend zu einem Palazzo. Zu seiner Überraschung verließ sie das Kellergewölbe. Er folgte ihr zögernd. Dieser Palazzo unterschied sich völlig von denen, die er bisher gesehen hatte. Er war so prächtig ausgestattet, daß er einem Kardinal hätte gehören können, doch alle Fenster waren mit Tüchern verhängt, wie in einem Haus, in dem die Pest Einzug gehalten hatte. Die Diener, denen sie begegneten, hielten Saviya nicht etwa an, sondern nickten ihr nur zu, und er begriff, daß der ganze Palazzo von ›der Königin‹ bewohnt wurde.
    In dem gedämpften Licht war es fast unmöglich, etwas zu erkennen, und erst als Saviya stehenblieb und in die Knie sank, erkannte er, daß sie am Ziel angelangt waren. Von irgendwoher hörte er Harfenklänge. Es war das erste Mal, daß er Saviya sich vor jemandem verbeugen sah, und als er die Augen hob, erblickte er die große, schlanke Gestalt einer Frau, die vor ihnen auf einem mächtigen Eichenstuhl saß. Sie hielt ein Buch in den Händen, das sie niederlegte, als Saviya sich wieder erhob. Ihr Gesicht war von einem Schleier verhüllt. Ihre Stimme, gleichmäßig und sanft, klang erstaunlich jung.
    »Ihr also«, sagte sie, »seid der Mann, der durch seine eigene Dummheit in eine Falle geriet und damit eine meiner besten Hexen zwei Monate lang von der Arbeit abhielt?«
    Gerade der Umstand, daß sie ohne jede Schärfe sprach, machte den Sarkasmus ihrer Worte um so verletzender. Früher wäre Richard aufgebraust und hätte ihr als erstes seine Meinung über Hexen, Aberglauben und solche, die ihn unterstützten, gesagt, doch nun beherrschte er sich. Er wollte etwas von ihr, und das war wichtiger.
    »Ich bin der Mann, der aus seinen Fehlern gelernt hat«, entgegnete er daher, »und der Mann, der Fabio Orsini und Vittorio de'Pazzi etwas über Rache beibringen wird, das sie noch nicht wissen.«
    Die verschleierte Frau ignorierte ihn und wandte sich an Saviya. »Du hast mir erzählt, daß er ein Narr ist, aber ist er es auch in dieser Beziehung?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete Saviya, und Richard spürte plötzlich, wie sie ihm kurz die Hand drückte.
    »Dann laßt mich Euch etwas über Rache lehren, Riccardo Artzt, und daß sie kalt oft am besten genossen wird.«
    Er hörte ihr gelbliches Seidenkleid rascheln, sah sie ihre Röcke heben und bemerkte jetzt erst mit Entsetzen, daß sie keine Beine mehr hatte. Mit einer anmutigen Bewegung löste sie für einen Augenblick ihren Schleier. Richard würde nie vergessen, was sie ihm da gezeigt hatte.
    Die linke Gesichtshälfte war die einer schönen Frau unbestimmbaren Alters, mit glatter, reiner Haut und einem großen, dunklen Auge. Doch die rechte Hälfte war bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Über der Augenhöhle hingen die Reste eines eingezogenen Lids, und er fragte sich voll Grauen, ob Feuer die entsetzlich vernarbte Masse erzeugt hatte.
    »Würdet Ihr glauben, daß ich einmal die begehrteste Kurtisane in Rom war?« hörte er ihre gleichbleibend klangvolle Stimme. »Bis ich den Fehler machte, Vittorio de'Pazzi abzuweisen und mich gleichzeitig bei den hohen Kirchenfürsten, die mich besuchten, für eine Aufhebung der Exkommunikation von Lorenzo de'Medici einzusetzen. Ich kannte Lorenzo aus meiner Kindheit in Florenz, aber solche Rührseligkeiten sollte sich eine Kurtisane nicht leisten. Eine Hexe übrigens auch nicht. Vittorio de'Pazzi brachte mir das bei. Er stellte mich bei Kardinal Orsini wegen Zauberei bloß, und als die Inquisition mit mir fertig war und ich immer noch nicht gestanden hatte, war das von mir übrig. Das!«
    Für einen Moment geriet ihre Haltung ins Schwanken, doch sie fing sich rasch wieder. »Glaubt Ihr nicht, Tedesco, wenn es so einfach wäre, Vittorio umbringen zu lassen, daß ich es nicht schon längst getan hätte? Nicht nur, daß er zu vorsichtig ist, er hat auch zu mächtige Freunde. Das Geheimnis eines erfolgreichen Mörders besteht darin, sich keine falschen Leichen zuzulegen.«
    »Ich will ihn nicht umbringen«, sagte Richard. »Weder ihn noch Fabio Orsini. Aber wenn Ihr meinen Plan unterstützt, dann werden wir beide unsere Genugtuung

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