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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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nicht etwas Teuflisches darin liegt.«
    Zobeidas zersprungene, rissige Lippen bildeten mühsam Worte. »Was soll ich gestehen?« brachte sie endlich hervor.
    Der Dominikaner schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.
    »Aber meine Tochter«, sagte er tadelnd, »glaubst du etwa, daß wir dir Geständnisse in den Mund legen? Du weißt, was du zu gestehen hast und was nicht.«
    Zobeidas Kopf fiel zurück, und dabei streifte ihr Blick zum ersten Mal Bruder Ludwig. Er erstarrte.
    Zobeida hob ihren Kopf abrupt wieder und sah ihn an. Die dunklen Augen schienen ihn zu bannen, ihn zu zwingen. In dieser grenzenlosen Schwärze lag nichts Schwaches, Gequältes mehr, sondern ein glühender, erbarmungsloser Haß. Unbewußt stand er auf und trat ein paar Schritte näher. Zobeida versuchte, auf die Knie zu sinken.
    »Ah«, stieß sie mit einer von zu vielen Schreien aufgerauhten Stimme hervor, »Meister, mein Meister, endlich bist du hier!«
    Ludwig war so überwältigt, daß er zu nicht viel mehr als einem törichten »Was« in der Lage war. Zobeida flehte die Büttel an, sie loszulassen, damit sie vor ihrem Meister in die Knie sinken könne, und rief unausgesetzt: »Herr, mein Meister, ich wußte, du würdest kommen und mir helfen«, bis er begriff, was sie tat.
    Er drehte sich schnell zu dem Inquisitor um, der ihn kühl und abwägend beobachtete. »Aber … aber … das ist doch alles nicht wahr, das Weib ist wahnsinnig, Ihr könnt doch nicht glauben, daß ich auch …«
    »Meister«, schluchzte Zobeida, »warum hast du so lange gezögert? Als du mit mir zum Hexensabbat gingst und wir miteinander vor dem Satan tanzten, damals, als du seinen Kuß auf den Rücken empfingst, hast du geschworen …«
    »Seid still!« schrie Bruder Ludwig. Schweiß lief ihm den Rücken herab, und sein Gesicht zitterte.
    »Sie soll reden«, sagte der Inquisitor scharf. »Mir scheint, Ihr habt einiges zu erklären, Bruder Ludwig.«
    Ludwig hatte in den letzten Wochen eine ganze Reihe unbekannter Empfindungen bestürmt, doch nie diese blinde, grauenhafte Angst.
    »Weib, du lügst doch!« schrie er Zobeida an.
    »Weib, du lügst doch«, wiederholte Zobeida monoton.
    »Du Hexe!«
    »Du Hexe.«
    Ludwigs Stimme wurde immer schriller. »Hör auf!«
    »Hör auf.«
    »Bruder Ludwig«, unterbrach Heinrich Institoris, »entlaßt sofort diese Frau aus Eurem Bann.«
    »Ich habe keinen Bann!«
    Zobeida, den Kopf hin und her wiegend, wiederholte dumpf: »Ich habe keinen Bann.«
    »Sie will sich rächen«, rief Ludwig verzweifelt, »versteht Ihr denn nicht, sie will sich doch nur …«
    Er wandte sich an die Umstehenden, an die ehrenwerten Männer, die der Inquisitor als Beisitzer verlangt hatte, entdeckte aber kein Mitgefühl bei ihnen, sondern nur Zweifel und Mißtrauen. Der eine oder andere blickte sogar befriedigt drein.
    »Warum glaubt mir denn keiner? Ich bin unschuldig! Warum glaubt mir nur keiner!«
    »Sie hat von einem Satanskuß auf dem Rücken gesprochen«, murmelte einer der Männer nachdenklich, »das sollte man nachprüfen.«
    Bruder Heinrich bedeutete einem Büttel, er solle Zobeida seinem Kameraden überlassen und sich um den Mönch kümmern.
    Bruder Ludwig begann zu schreien und um sich zu schlagen, doch bald hatte man seinen Rücken entblößt – und das rote Muttermal gefunden. Institoris nickte. »Nehmt ihn vorerst in Gewahrsam und bringt ihn in den Kerker.«
    Als sich die Tür hinter dem schreienden Mönch geschlossen hatte, wandte sich der Inquisitor wieder an Zobeida.
    »Nun«, sagte er, »willst du deine Seele nicht noch weiter befreien und dem Schriftführer dort endlich dein Geständnis diktieren, mein Kind?«

5
    D AS LAUNISCHE F RÜHLINGSWETTER war wieder in Regen übergegangen, und Bruder Albert, der den Inquisitor zu Richards Zelle führte, ertappte sich bei dem abwegigen Gedanken, ob dieser wohl schon einmal vor der Schwierigkeit gestanden hatte, jemanden bei Regen verbrennen zu müssen. Doch Bruder Heinrich wirkte gelassen und entschlossen.
    Inzwischen war der Erzbischof eingetroffen, und Bruder Albert hätte gern gewußt, was der hochwürdige Melchior Clemens davon hielt, daß man ihn so lange übergangen hatte. Nicht, daß der Bischof deswegen für die Angeklagten gnädiger gestimmt gewesen wäre. Erst gestern hatte der Abt zu Albert gesagt: »Wer weiß, ob der Bischof nicht eine gründliche Untersuchung des ganzen Klosters auf Hexerei anordnet, jetzt, wo Bruder Ludwig ebenfalls … Ach, wäre Bruder Heinrich doch nie

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