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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Albert. Es war eine Art Wiederholung der Zeichnung von Bruder Ludwig, immer noch treffend, doch in der Eile und Aufregung waren Richard die Linien viel unsicherer geraten und teilweise verwischt. Sie hatten die beißende Schärfe des Originals verloren. Bruder Heinrich warf nur einen kurzen Blick darauf.
    »Es ist sehr löblich«, sagte er ruhig, »daß du aus Kindesliebe versuchst, deine Mutter zu retten. Vielleicht warst du auch nie Zeuge ihrer abscheulichen Taten, oder sie stellte sie dir als normal hin. Doch wisse, die Ehrfurcht vor den Eltern darf nicht über die Liebe zu unserem Herrgott gehen.«
    »Aber versteht doch, sie ist unschuldig!«
    Der Inquisitor schüttelte betrübt den Kopf. An Bruder Albert gewandt, erklärte er: »Der Junge steht immer noch in ihrem Bann, doch ich hoffe, daß sie ihn nicht infiziert hat. In der Regel vererbt sich Hexenkunst nur in der weiblichen Linie. Es war weise, ihn hier unterzubringen, ich kann Euren Abt nur loben.«
    Er räusperte sich und drehte sich wieder zu Richard um, der mit dem Blatt in der Hand wie zur Salzsäule erstarrt dastand.
    »Mein Sohn, deine Mutter hat selbst ihre Verbrechen gestanden und nicht mehr widerrufen. Es jammert mich, von derartigem Unheil sprechen zu müssen, doch sie hat kleine Kinder im Ofen gebacken und zu Pulver zerrieben, das sie für ihre schwarzen Künste brauchte, sie hat Frauen Fehlgeburten erleiden lassen und Männern Krankheiten und ein Erschlaffen der Manneskraft angehext und noch viel mehr getan, womit ich meine Zunge nicht besudeln möchte. Sie ist eine böse Frau und hat den Tod verdient, zu dem der Richter sie verurteilt hat, und dennoch gibt es Hoffnung für sie, denn sie hat gestanden.«
    Über das Gesicht des Inquisitors glitt ein Leuchten. »So wird es möglich sein, durch das reinigende Feuer ihre Seele wieder unserem Herrn zuzuwenden. Fürwahr, alles hat ein gutes Ende gefunden.«
    Richard fiel vor ihm auf die Knie. »Aber ich kann es beweisen, ich kann beweisen, daß sie unschuldig ist, ich kann beweisen, daß es überhaupt keine Hexen gibt, ich …«
    Albert erwartete einen Ausbruch des Inquisitors, doch dieser blieb ruhig.
    »Ich sehe an dir noch Spuren ihres Bannes, mein Sohn, doch das Feuer, welches sie verzehrt, wird auch dich reinigen, und mit ihrem Tod wird der Bann erlöschen. Deswegen ordne ich an, daß du dabeisein sollst, wenn deine Mutter zu Gott geführt wird. Noch ein paar Tage«, er lächelte, »und dann wird all das Böse, das die braven Menschen von Wandlingen verzehrt hat, vorbei sein.«
    Er wandte sich um und ging hinaus. Bruder Albert zögerte. Er streckte die Hand aus, als wolle er Richard berühren, zog sie aber wieder zurück. Er befeuchtete sich die Lippen, wie um etwas zu sagen. Die Aufgabe eines Priesters, dachte der Benediktiner bitter, sollte es sein zu trösten. Doch ihm fiel nichts ein, das er hätte sagen können, absolut nichts.
    Er erinnerte sich an dem Moment im Obstgarten, als ihm Richard seinen Haß entgegengeschleudert hatte. Selbst das war besser gewesen als die völlige Reglosigkeit des Jungen jetzt. Schließlich sagte er nur leise: »Richard, ich dachte, du hättest inzwischen zumindest eines begriffen: Niemand kann beweisen, daß es keine Hexen gibt.«
    Dann ging auch er. Der Schlüsselbund klirrte, und die Schritte des Mönches wurden so eilig, daß ihm seine Kutte um die Beine flatterte, als sei er vor etwas auf der Flucht. Richard blieb zurück. Das Blatt mit der unsicheren Zeichnung flatterte auf die Erde.
    Jemand, der ihn in diesem Augenblick gesehen hätte, hätte ihn nicht von einem der Schnitzwerke unterscheiden können, die St. Georg so anmutig schmückten. In ihnen war gewiß mehr Leben als in Richard, dem eben mitgeteilt worden war, daß er seine Mutter ermordet hatte. So gewiß, dachte er, als hätte er ihr das Messer ins Herz gestoßen.
    Es war seine Schuld. Ohne ihn wäre Bruder Ludwig nie in Zobeida Artzt' Nähe gekommen. Es wäre nicht sonderlich schwer gewesen, den gehorsamen Schüler für Bruder Ludwig zu spielen, statt ihn immer wieder zu reizen. Und die Zeichnung, die Zeichnung … seine Schuld. Und jetzt hatte er die letzte Gelegenheit vertan, den Inquisitor zu überzeugen und seine Mutter zu retten. Er erhob sich, starrte auf das armselige Gekritzel auf dem Boden und trat plötzlich danach.
    Es mußte doch noch irgend etwas geben, irgendeine Möglichkeit, sie zu retten! Aber nein, er hatte sich wie ein völliger Narr freiwillig in die Hand der Mönche begeben,

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