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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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hierhergekommen!«
    Albert warf dem Dominikaner einen schnellen Blick zu. Ja, Bruder Heinrich wäre sehr wohl imstande, hier in Wandlingen nach noch mehr Opfern zu suchen. Albert ahnte nicht, daß die Gelassenheit des Inquisitors nur Maske war, Heinrich Institoris hatte dieser Tage einen dringenden Brief von seinem Mitinquisitor Jakob Sprenger erhalten.
    In Brixen waren auf einen Schlag nicht weniger als zwanzig Hexen gefaßt worden, und Bruder Jakob brauchte seine Hilfe, denn die dortigen Behörden zeigten sich äußerst unverschämt gegenüber der heiligen Inquisition. Institoris hatte es nunmehr eilig, seinen Aufenthalt in Wandlingen zu einem Ende zu bringen.
    »Hier entlang«, sagte Bruder Albert. Der Inquisitor wirkte fast ein wenig zerstreut und nicht ganz bei der Sache, als er bemerkte: »Bruder, die Haltung, die Ihr und Euer Abt in der ganzen Gelegenheit eingenommen habt, fand ich … nun, sehr verwunderlich. Ihr wart der heiligen Inquisition keine große Hilfe.«
    »Wir haben uns bemüht, immer im Dienst der Mutter Kirche zu handeln«, entgegnete Albert und versuchte, das Gemisch aus Abscheu und Furcht zu unterdrücken, das er nun jedesmal in Gegenwart des Inquisitors empfand.
    Der wasserblaue Blick schien ihn zu durchdringen. »Das glaube ich Euch sogar«, sagte Heinrich Institoris merkwürdig sanft. »Wie schade ist es dennoch, daß erst die Folter notwendig war, um Euch Eure Verblendung über die Hexe vor Augen zu führen.« Er senkte seine Stimme. »Ihr werdet sie nie vergessen, nicht wahr … die Folter?«
    Es war unerträglich, an diese Stunde erinnert zu werden, von diesem Mann, der Zeuge seiner Verwirrung, seiner tiefen Demütigung gewesen war und die Erniedrigung immer weiter ausdehnte. Statt Furcht spürte Albert nun lodernden Zorn, und er schlug, alle Vorsicht vergessend, mit beißendem Sarkasmus zurück.
    »In der Tat, ich werde sie nicht vergessen – da zeigte sich, daß die heilige Inquisition, solange sie über Männer wie Euch und solche Mittel verfügt, auf die Hilfe von Irrenden wie meiner Wenigkeit sehr gut verzichten kann. Frater, warum habt Ihr eigentlich … Warum habt Ihr Euch eigentlich so lange nicht um den Jungen gekümmert, wo Ihr doch …«
    Er beendete den Satz nicht, doch der Inquisitor verstand ihn auch so. Warum hatte er den Sohn nicht als Druckmittel gegen die Mutter benutzt? In Angst um ihren Sohn hätte er auch ohne Folter ein Geständnis aus Zobeida Artzt herausgebracht.
    »Ich bin entsetzt, Bruder«, rief Institoris empört. »In einem Prozeß wie diesem muß alles mit rechten Dingen und gesetzesgemäß zugehen. Wenn man solche Mittel verwenden würde, wie leicht könnten Unschuldige zu Schaden kommen?«
    Bruder Albert sah ihn an und erkannte ungläubig, daß der Dominikaner es ernst meinte. Er hielt die Folter tatsächlich für ein Mittel der Wahrheitsfindung.
    Menschen wie Bruder Heinrich konnten Gesetz und Recht nach Belieben verdrehen, völlig sinnentfremden und einsetzen, wie es ihnen gefiel. Doch Gesetz und Recht mußten sein, wenigstens dem Buchstaben nach, damit sich ein Bruder Heinrich als ehrlicher Mann und treuer Sohn der Kirche fühlen konnte, der nur seine Pflicht tat. Eine Erpressung dagegen hätte das Bild, das er von sich selbst hatte, nicht verkraftet.
    Wenn ich das alles überstehe, dachte Bruder Albert, dann hoffe ich inbrünstig, daß ich nie wieder einen Inquisitor kennenlerne, denn was ich in den letzten Wochen über die menschliche Seele erfahren habe, ist zu unerträglich, um wahr zu sein.
    Er holte den Schlüssel hervor, fühlte das sichere, harte Metall – wenigstens etwas, das sich nicht verändert hatte – und sperrte geräuschvoll die Zellentür auf. Richard saß gerade auf seinem Bett, doch er sprang auf, und Bruder Albert begriff entsetzt, daß in seinen schwarzen Augen beim Anblick des Inquisitors Hoffnung aufleuchtete. Hoffnung? Immer noch Hoffnung?
    Bevor Bruder Heinrich den Mund öffnen konnte, begann Richard: »Pater, meine Mutter ist unschuldig, und ich kann es Euch beweisen! Die Denunziation geschah nur aus Neid und Haß, und die Dinge, die man in unserem Haus gefunden hat, brachte mein Vater von seinen Reisen mit. Die Zeichnungen habe ich selbst gemacht, nur so zum Spaß!«
    Bruder Albert hatte Richard schon vor längerer Zeit neben den Büchern auch Schreibmaterialien gebracht, und jetzt fing der Junge an, schnell mit bebender Hand etwas zu kritzeln.
    »Seht Ihr?«
    Er reichte das Blatt dem Inquisitor, wie ein Bittgesuch, dachte

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