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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Jakob Fugger im Jahre 1454 ihre Unternehmen getrennt hatten, gab es zwei rivalisierende Stämme der Familie. Lukas war der beste Kaufmann unter den Söhnen des Andreas, und der erste Fugger, der seine Geschäfte weit über Augsburg hinaus ausdehnte und sogar in Burgund und Italien Faktoreien errichtete. Kein Wunder, daß ihm der Erfolg zu Kopf stieg. Lukas bemühte sich sogar erfolgreich um ein Wappen und nannte sich von nun an stolz ›Fugger vom Reh‹, um sich von seinem biederen Vetter Ulrich und dessen Brüdern zu unterscheiden.
    »Es kam, wie es kommen mußte«, schloß Hänsle, und Richard entschied, daß dieser Satz sehr nach Hänsles Mutter klang, »Vetter Lukas glaubte, er könnte alles verkraften, und lieh unserem König Maximilian, der damals nur Erzherzog war, zehntausend Gulden – fast sein gesamtes Kapital. Als Sicherheit bekam er von Maximilian eine ganze Stadt – Leuven. Das liegt irgendwo in Burgund, glaube ich. Erzherzog Max hatte gerade die Tochter von Karl dem Kühnen geheiratet. Deswegen konnte er die Stadt verpfänden, jedenfalls haben meine Eltern mir das so erklärt. Aber die Leuvener weigerten sich einfach, Vetter Lukas auch nur die kleinste Münze zu bezahlen, und die Reichsacht half da auch nicht viel weiter. Und so«, Hänsle grinste, »brach Vetter Lukas' Unternehmen zusammen. Jeder wollte sein Geld von ihm zurückhaben, als er von Leuven hörte, sein ältester Sohn bedrohte ihn sogar mit dem Messer, um sein Erbe ausgezahlt zu bekommen.«
    »Und dann?« fragte Richard gespannt.
    »Lukas floh aus Augsburg. Man sagt, er hätte nur noch vier silberne Becher und vier Löffel sein eigen nennen können. Die Familie, ich meine natürlich Papa und die Onkel, also die Familie stellte ihm dann das Haus in Graben am Lech zur Verfügung, aus dem der Urgroßvater Hans Fugger nach Augsburg gekommen ist. In dem Dorf sitzt er heute noch und verflucht alles, was sich ihm nähert. Er war eben größenwahnsinnig.«
    Richard, der an das Tiroler Silber dachte, unterdrückte mit Mühe eine scharfe Erinnerung an die hunderttausend Gulden, die Jakob an Sigismund den Münzreichen verliehen hatte. Und diese Summe hatte nur den Anfang gebildet. Er musterte Hänsle, der gerade dabei war, sein neues hellrotes Barett auf den flachshaarigen Kopf zu drücken, und dachte, daß Versagen offensichtlich in dieser Familie als Todsünde galt. Mitleid mit dem ruinierten Vetter zu haben, schien Hänsle nicht in den Sinn zu kommen.
    Er überlegte wohl nie, was geschehen wäre, wenn sein Onkel Jakob keinen Erfolg in Tirol gehabt hätte. Doch gerechterweise mußte Richard zugeben, daß Jakob nie den Fehler gemacht hatte, sich nur auf das Wort eines Fürsten zu verlassen. Jakob hatte auf der Unterschrift der Bürger auf den Schuldscheinen bestanden. Und was gehen mich Jakobs Geschäfte eigentlich an? fragte er sich ärgerlich. Warum beschäftigt er mich? Ich bleibe hier nur, bis ich alt genug bin zum Studieren. Nur so lange bleibe ich. Dann kann mir all das gleichgültig sein, diese Familie und ihre endlosen Geschäfte.
    Aber – und der Gedanke machte ihn so wütend, daß er den Raum verließ, um nicht mit Hänsle zu streiten – es war ihm nicht gleichgültig.
    Georg Fugger setzte sich zurück und strich sich zufrieden über den Bauch. Er schätzte Festlichkeiten, er genoß es, zu tafeln, und er liebte es, die Familie vollzählig beisammen zu sehen. Von allen Fuggern war Georg in seiner stillen Art vielleicht der am meisten familienbewußte. Es waren nicht nur geschäftliche Gründe gewesen, die ihn seinerzeit bewogen hatten, Ulrich zu überreden, Jakob aus dem Kloster zu holen.
    Alle waren sie in der Fremde gestorben, Andreas, Hanns, Markus und Peter, und von den Mädchen war nur noch Anna am Leben. Das Haus am Rohr war mit einem Mal merkwürdig leer, und in Georg war die seltsam unvernünftige Furcht aufgestiegen, auch Jakob könnte sterben, ohne daß sie ihren jüngsten Bruder je richtig kennengelernt hätten.
    Nicht, daß sie Jakob nach all den Jahren sehr viel besser kannten. Georg blickte zu seinem Bruder, der sich gerade mit ihrer Schwester Anna unterhielt, und schüttelte den Kopf. Er verstand Jakob nicht, aber er bewunderte ihn. Kein Fugger hatte dem Unternehmen je soviel Reichtum und Macht verschafft wie Jakob. Seine immer umfangreicheren Geschäfte übertrafen schon längst die legendären, wenn auch kurzlebigen Erfolge des Vetters Lukas vom Reh. Erst im letzten Jahr hatte Georg ein neues, verblüffendes Beispiel

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