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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ihm den Kredit sperrt?«
    Sein Vater und Ulrich betrachteten ihn mißbilligend, Sybille leicht belustigt. Jakob blieb sachlich. »Wenn die Dinge«, sagte er, »einen Verlauf nehmen, der meinen Handel begünstigt, dann freut mich das.«
    »Wehe, wenn sie es nicht tun«, murmelte seine Schwester Anna und handelte sich einen Rippenstoß von Georg ein.
    Jakob fuhr fort: »Aber sich um die tagtägliche Kleinarbeit eines Staates zu kümmern – das ist eine völlig andere Sache. Es kann nicht gutgehen. Entweder man beherrscht eine Stadt oder eine Bank.«
    Konrad Pantinger griff nach seinem Becher. »Nun, im Augenblick floriert die Bank der Medici noch«, sagte er und trank genußvoll.
    »Seid Eurer Sache nicht so sicher, Fugger. Seit dem alten Cosimo sind die Medici die ungekrönten Herrscher über Florenz und ihre Bank. Cosimo und Piero haben es fertiggebracht. Warum nicht Lorenzo? Er ist ein erstaunlicher Mensch. Ein Mann, der sich selbst gegen den Heiligen Vater durchsetzen konnte und der seine Stadt nur mit seiner Zunge vor Ferrante von Neapel rettete … und ein Dichter, und ein Philosoph.« Er seufzte. »Ah, Florenz! Ich muß unbedingt einmal dorthin. Ich muß die platonische Akademie sehen.«
    Richard setzte sich auf. »Die platonische Akademie?« fragte er.
    Konrad Pantinger schaute ihn wohlwollend an. Noch einmal jung sein, dachte er. »Gewiß, mein Junge. Hast du noch nicht davon gehört? Cosimo de'Medici hat sie ins Leben gerufen, und Lorenzo leitet sie jetzt. Es sind die hellsten Köpfe Italiens, und die Thesen, die sie vertreten, sind wirklich ganz erstaunlich. Zuallererst behaupten sie, daß der Mensch sich selbst vervollkommnen kann, Körper und Seele.«
    »Ketzerei«, warf Hieronymus Meutting, Anna Fuggers Gemahl, streng ein. »Der Mensch ist ein erbärmliches Geschöpf, das ewig unvollkommen und von Gottes Gnade abhängig bleibt.«
    Pantinger breitete die Arme aus. »Ach, wer bin ich, um Euch zu widersprechen, Meister Meutting. Doch Marsilio Ficino von der Akademie behauptet noch viel mehr. Er sagt, es sei möglich, die heidnische Philosophie Platons und das Christentum miteinander zu verschmelzen. In seinem letzten Buch schreibt er: ›Wahre Philosophie ist Religion. Wahre Religion ist Philosophie‹. Und Pico della Mirandola geht sogar noch weiter. Er hat jüngst ein gewichtiges Werk vollendet, neunhundert Thesen, in denen er Christentum, Platons Lehre und den Islam zu einer Philosophie zusammenfügt.«
    Pantinger wirkte plötzlich traurig. »Leider wird die Welt Picos Thesen nicht zu Gesicht bekommen«, murmelte er. »Seine Heiligkeit der Papst hat in seiner Weisheit entschieden, sie auf den Index zu setzen.«
    Richard war entsetzt. Seit Pantinger begonnen hatte, von Florenz zu erzählen, hatte er seine eigenen zwiespältigen Empfindungen über die Familie Fugger völlig vergessen und ihm gebannt zugehört. Mit jedem Wort über die Akademie wünschte er sich mehr, die Platoniker ebenfalls kennenzulernen, ihre Werke zu lesen. Was Magister Pantinger da sagte, widersprach allem, was man ihm im Kloster hatte beibringen wollen, und erschien doch so richtig, so aufregend.
    Was für Gedanken! Jeder, selbst Anselm, hatte bisher darauf bestanden, alle nicht von Christus inspirierte Weisheit sei unvollkommen, mit einem falschen Kern. Und jetzt dies! Es konnte doch nicht sein, daß Picos neunhundert Thesen einfach der Vergangenheit anheimfielen.
    »Und Pico?« fragte Richard betäubt. Pantinger verzog das Gesicht. »Er lebt weiter in Florenz, lehrt, schreibt und lernt Sprachen. Er ist, mußt du wissen, der Kundigsten einer, spricht zweiundzwanzig Sprachen und …«
    »Teufelswerk«, unterbrach Ulrich unmutig, weil ihn das Gespräch langweilte, dem er nicht länger folgen konnte. »Außerdem möchte ich wissen, wie wir darauf kommen. Wir sprachen doch von Maximilian und den Sforza.«
    Gelächter brandete auf, und bald redete keiner mehr über die seltsame Stadt Florenz. Doch Richard vergaß nichts, und in dieser Nacht lag er noch lange wach und sprach die Worte vor sich hin wie Zauberformeln. Vielleicht würde er dort seine Antworten finden, die Beweise, nach denen er suchte, dort, unter den Denkern. Italia. Florenz. Lorenzo de'Medici. Die platonische Akademie. Pico della Mirandola.

9
    Es SOLLTE VORERST noch zu keinem Krieg mit Ungarn kommen, doch das lag weder an Richards mangelnder Voraussicht noch an Maximilians etwaigem Friedenswillen. Der König heiratete Bianca Maria Sforza. Mit der Mitgift im Rücken konnte

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