Die purpurnen Flüsse
gleichmütige m To n erklärt e Chernecé : »E s wa r doc h schon heut e nachmitta g ei n Polizis t hier . Wa s wolle n Si e den n jetzt?« Niéman s stan d nu r noc h wenig e Mete r vo n ih m entfern t un d nahm ers t jetz t da s auffälligst e Merkma l de s Manne s wahr , da s ih n unter Tausende n andere r hervorhob : di e Augen , di e völli g farblo s ware n – di e Iri s grau , star r un d wachsa m wi e de r Blic k eine r Schlange , mit Pupillen , di e wi e winzig e Aquarie n aussahen , i n dene n mörderische Wese n hi n un d he r schwammen , gepanzer t mi t eiserne n Schuppen.
»Ic h bi n seinetwege n hier« , erklärt e Niémans . »Wa s wollt e e r von Ihnen?«
De r Man n lächelt e nachsichtig . »Wi r originell . Ei n Polizist , der nac h de m andere n fahndet?«
»Wan n wa r e r be i Ihnen?«
»Gege n achtzeh n Uhr , würd e ic h sagen.«
»S o spät ? Wisse n Si e noch , wa s e r Si e gefrag t hat?«
»Selbstverständlich . E r ha t sic h nac h de n Patiente n eine s Instituts i n de r Näh e vo n Guerno n erkundigt . Eine r Klini k für Augenkrankheiten , di e ic h betreue.«
»Wa s wollt e e r den n wissen?«
Chernec é öffnet e eine n Mahagonischrank , nah m ein maßgeschneiderte s weiße s Hem d herau s un d schlüpft e mit geschmeidige n Bewegunge n hinein . »Di e Ursach e de r verschiedenen Augenleiden . Ic h erklärt e ihm , e s seie n vorwiegen d erblic h bedingte Krankheiten . Daraufhi n wollt e e r wissen , o b auc h ein e äußere Ursach e denkba r sei , ein e Vergiftun g beispielsweis e ode r eine falsch e ärztlich e Behandlung.«
»Un d wa s habe n Si e ih m geantwortet?«
»Da ß de r Gedank e absur d sei . Dies e genetische n Leide n sin d durch di e Isolatio n de r Stad t un d di e sic h darau s ergebend e relative Häufigkei t vo n Verwandtenehe n bedingt . Wen n Blutsverwandte heiraten , is t di e Chance , da ß sic h rezessive , da s heiß t latent vorhanden e Anlage n manifestieren , seh r vie l höher . Da s Phänomen is t sei t lange m au s viele n abgelegene n Bergdörfer n bekann t und wurd e i n jüngere r Zei t a m Beispie l de r Regio n u m de n La c Saint- Jea n i m Québe c un d de r Amisch-Gemeinde n i n de n Vereinigten Staate n ausführlic h beschrieben . Dasselb e is t i n Guerno n de r Fal l – obwoh l ma n annehme n möchte , da ß ein e Universitä t zum internationale n Austausc h führe n sollte . Abe r di e Leut e i n diesem Ta l bleibe n offensichtlic h liebe r unte r sic h … Da s is t bekannt. Weshal b als o ein e ander e Erklärun g fü r diese s Phänome n suchen?«
Ohn e ein e Spu r vo n Verlegenhei t gegenübe r Niéman s stie g der Augenarzt , de r sein e Red e i n Unterwäsch e gehalte n hatte , i n eine Hos e au s marineblauem , mat t schimmernde m Stoff . Diese r Chernecé wa r i n de r Ta t ei n Man n vo n ausgesuchte r Eleganz . »Ha t e r Ihnen noc h weiter e Frage n gestellt? « fragt e Niémans
»Von Transplantatione n ha t e r gesprochen.«
»Welche r Art?«
»Vo n Augentransplantationen . Sein e Frage n ware n mir, offengestanden , ei n Rätsel.«
»Ha t e r Ihne n nich t erklärt , i n welche m Zusammenhan g si e stehen, woru m sic h sein e Ermittlunge n drehen?«
»Nein . Abe r ic h hab e ih m bereitwilli g geantwortet . E r wollte wissen , o b ein e Entfernun g de r Augäpfe l z u chirurgische n Zwecken denkba r wäre , beispielsweis e i m Hinblic k au f eine Hornhautverpflanzung.«
»Und?«
Chernec é verharrt e reglo s mitte n i m Rau m un d fuh r sic h mi t dem Handrücke n übe r da s Kinn , wi e u m di e Läng e seine r Bartstoppel n zu prüfen . Di e Schatte n de r Bäume , di e durc h di e Glasscheibe n fielen, tanzte n übe r de n Boden.
»Ic h hab e ih m erklärt , da ß solch e Operatione n völlig unangemesse n sind . Hornhautverpflanzunge n sin d heutzutag e kein Proble m mehr : Al s Ersat z werde n entwede r konservierte Leichenhornhau t ode r Kunststofftransplantat e verwende t – i n der Entwicklun g geeignete r Materialie n ha t ma n groß e Fortschritte erzielt . Di e Netzhau t hingege n läß t sic h nich t verpflanzen : Wi r sind noc h imme r nich t i n de r Lage , di e Retin a z u konservieren , vo n einer Transplantatio n kan n als o kein e Red e sein. « E r lacht e kur z auf.
»Wisse n Sie , dies e Geschichte n vo n Organhandel , da s sin d ehe r die Phantasie n de r Laien.«
»Ha t e r sons t noc h etwa s gefragt?«
»Nein . E r schie n enttäuscht.«
»Habe n Si e ih n a n irgen d jemande
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