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Die purpurnen Flüsse

Titel: Die purpurnen Flüsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Muster , da s bei jede m Mensche n verschiede n ist . Ei n biologische s Kennzeichen , das i n de n Gene n angeleg t ist . Di e Iri s is t s o unverwechselba r wi e die Fingerabdrücke . Un d dari n seh e ic h di e Gemeinsamkei t zwischen Auge n un d Händen : Si e sin d di e einzige n Körperteile , di e sozusagen ein e Signatu r tragen . Ein e biometrisch e Signatur , wi e di e Fachleute sagen . Beraube n Si e eine n Körpe r de r Auge n un d de r Hände , un d Sie zerstöre n di e äußere n Identifikationsmerkmale . We r is t ei n Mensch, de r ohn e dies e Merkmal e stirbt ? Niemand . Ei n anonyme r Toter , der sein e sichtbar e Identitä t verlore n hat . Wa s di e Symboli k betrifft , so kan n ic h mi r kei n schlimmere s End e vorstellen . Wi e di e Beerdigung i n eine m Massengrab.«
    Sein e farblose n Auge n brache n da s Lich t de r Lamp e un d wirkten s o noc h transparente r al s zuvor . De r ganz e Rau m ähnelt e jetz t einer gläserne n Iris , un d di e anatomische n Darstellungen , di e Silhouette de s Manne s vo r de r Nacht , di e kahle n Klaue n de r Bäum e hinte r den Glasscheibe n sahe n unwirklic h au s wi e ei n Spiegelbild.
    De r Kommissa r dacht e a n Caillois ’ Händ e mi t ihre n glatten Fingerkuppen , di e de r Mörde r nich t abgetrenn t hatt e – wei l e s nicht nöti g war : Ohn e Fingerabdrück e ware n si e ohnehi n anonym . Der Mörde r beraubt e sein e Opfe r als o de r biologische n Signaturen.
    »Ic h persönlich« , fuh r de r Arz t fort , »glaub e sogar , da ß di e Augen ein e exakter e Identifikatio n erlaube n al s di e Hände . Di e Polize i sollte da s eigentlic h bedenken.«
    »Waru m sage n Si e das?«
    Chernec é lächelte . E r hatt e sein e professoral e Souveränität wiedergefunden.
    »Manch e Wissenschaftle r sin d de r Ansicht , a n de r Iri s lass e sich nich t nu r de r Gesundheitszustan d de s Körper s ablesen , sonder n die gesamt e Geschichte , di e Entwicklun g eine s Menschen . Habe n Sie noc h ni e vo n de r Irisdiagnosti k gehört? « Au f unerklärlich e Weise wa r Niéman s überzeugt , da ß dies e Wort e ei n Schlaglich t au f den gesamte n Fal l warfen . Noc h wußt e e r nicht , wa s de r Mörder mitteile n wollte , doc h e r ahnte , da ß de r Augenarz t mi t seiner Einschätzun g de n Nage l au f de n Kop f traf.
    »Di e Indologie« , fuh r Chernec é fort , »is t End e de s letzten Jahrhundert s entstanden . Si e is t ei n empirische s Verfahre n und wurd e vo n eine m deutsche n Falkne r entwickelt , de r beobachte t hatte, da ß be i eine m seine r Raubvöge l verblüffend e Veränderunge n i n der Iri s auftraten , nachde m de r Voge l sic h ei n Bei n gebroche n hatte. Ein e Ar t Kerb e bildet e sich , un d währen d di e Knoche n heilten, überlagert e ei n Muste r gekreuzte r weiße r Linie n di e ursprüngliche verletzungsbedingt e Irisveränderung . Al s hätt e de r Unfal l i m Auge de s Vogel s sei n Ech o gefunden . Ic h bi n überzeugt , da ß dieses körperlich e Ech o existiert . We r weiß ? Vielleich t wollt e Ih r Mörder durc h di e Entfernun g de r Augäpfe l de n Widerhal l eine s Ereignisses tilgen , da s ma n ih m vo n de n Auge n ablese n konnte?«
    Niéman s stellt e sein e letzt e Frage : »Waru m sin d Si e heute nachmitta g nich t an s Telefo n gegangen?«
    »Ic h hatt e de n Appara t ausgesteckt« , antwortet e de r Arz t lächelnd.
    »Montag s hab e ic h kein e Sprechstunde , un d ic h wollt e den Nachmitta g un d de n Aben d daz u verwenden , mein e Praxi s in Ordnun g z u bringe n …«
    Chernec é gin g noc h einma l zu m Schran k un d nah m ei n Jackett heraus , da s e r mi t eine r ausladenden , wohlbemessene n Gest e anzog. I n seine m dunkelblauen , gerad e geschnittene n Anzu g stan d e r vor Niéman s un d sagte , al s se i ih m de r Grun d diese s Besuch s endlich klargeworden : »Habe n Si e mic h z u erreiche n versucht ? Da s tu t mir leid . Da s alle s hätt e ic h Ihne n natürlic h auc h a m Telefo n sagen können . Ic h bedaure , da ß Si e Ihr e Zei t vergeude t haben.«
    Kei n Wor t davo n meint e e r ernst . Au s jede r Por e seiner sonnengebräunte n Stir n sickerte n Egoismu s un d Gleichgültigkeit. Di e geschändete n Augenhöhle n vo n Rém y Cailloi s hatt e e r schon wiede r vergessen.
    Niéman s betrachtet e di e Augenmodelle , di e Blutgefäße , di e sich übe r di e weiße n Augäpfe l zoge n wi e ein e Fortsetzun g de r Schatten, di e vo n de n kahle n Zweige n durc h di e

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