Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)
waren auch einige Hunnen dabei.
Von den Tischen funkelte es silbern: weiße Tischdecken mit eingewirkten Silberfäden, silberne Platzteller, darauf weiße Teller mit Silberrand, Silberbesteck, silberne Weinpokale, silberne Kerzenleuchter.
„Hoffentlich ist hinterher noch alles vollzählig,“ meinte Jochen besorgt.
Diese Dekoration hatten wir nur für große Galaessen vorgesehen. Alltags war es etwas schlichter und weniger teuer. Es stellte sich aber heraus, dass genau dieses Arrangement sehr gefragt wurde. Firmen mieteten das Restaurant mit der Schauspielertruppe zu allen möglichen Anlässen. Besonders gerne wurden Kunden oder Manager aus Übersee, die man beeindrucken wollte, zu uns geführt. Innerhalb weniger Tage waren die Gala-Termine bis Weihnachten ausgebucht.
Auch der kritischste Besucher musste zugeben, dass das Restaurant ein sehr beeindruckendes Bild bot. Die Kellnerinnen in schwarzem Rock und silberner Bluse, die Kellner in schwarzem Anzug und silbernem Hemd mit passender Silberfliege schienen, wie sie sich zwischen all dem Silber bewegten, aus einem Märchen gekommen zu sein. Jochen wollte seine Gäste in eine Traumwelt führen und ihnen dabei sinnliche Gaumenfreuden bescheren. Das gelang an diesem Eröffnungsabend in einem solchen Maße, dass in den nächsten Wochen nicht nur die Tageszeitungen schwärmten, sondern auch die Illustrierten mit opulenten Fotos und den schwülstigsten Beschreibungen aufwarteten. Jochen rieb sich die Hände. Am 15. September sollte das Hotel eröffnet werden, und die Spannung in der Öffentlichkeit war enorm, denn Jochen hatte der Presse schon einmal vorab erlaubt, das Hotel von innen zu fotografieren. Wir erwarteten, dass die Leute aus der Umgebung wenigstens auf der Terrasse oder im Wintergarten zu Kaffee und Kuchen vorbeikommen würden.
Inzwischen war ich etwas nervös geworden. Wenn mich ein Bekannter hier anträfe, wo ich doch offiziell Urlaub machte, würde ich mit der Klinik Schwierigkeiten bekommen. Ich besprach das mit Jochen.
„Werde ich die Probezeit bestehen und fest angestellt werden?“ fragte ich ihn.
„Das muss ich mir noch schwer überlegen,“ antwortete er.
Dann grinste er und ermunterte mich, meinem Arbeitgeber mitzuteilen, dass ich nicht zurückkommen würde. Mit Sylvia hatte ich häufig telefoniert. Sie hatte dicht gehalten. Ich sagte ihr, dass ich nicht zurückkäme, was sie einerseits freute, da sie dann endgültig Oberschwester wurde und meine Wohnung mit den Möbeln übernehmen konnte, andererseits war sie traurig, weil ich ihr fehlte, wie sie sagte. Wir verabredeten, dass sie mich zu Weihnachten besuchte, da sie zu Sylvester von Ihrem Bruder und seiner Familie nach München eingeladen war. Schweren Herzens schrieb ich meinem Professor, ich habe mich entschlossen, den Pflegeberuf an den Nagel zu hängen, um mit etwas völlig Anderem neu zu beginnen. Da ich nicht mehr von der Klinik bezahlt wurde, hoben sie meinen Vertrag auf. Sie drückten ihr Bedauern aus, wünschten, dies möge die richtige Entscheidung sein und hoffentlich würde ich mein Glück finden. Jetzt war ich also wirklich in Hessen angekommen.
Am 15. September war der große Tag gekommen. Das Hotel wurde endlich mit einer Verspätung von zwei Wochen eröffnet. Jochen hatte wichtige Leute zum Champagner-Empfang zwischen 11.00 und 13.00 Uhr eingeladen, denn für 14.00 Uhr wurden die ersten Hotelgäste erwartet. Der Bürgermeister des kleinen Ortes unterhalb der Burg sollte das Band durchschneiden und als Erster das Hotel betreten. Er erschien in vollem Ornat mit Amtskette, grüßte wichtigtuerisch nach allen Seiten, nahm die Schere, die man ihm auf einem Silbertablett reichte, und, als er sicher war, dass nun auch das letzte Foto geschossen war, zerschnitt er unter lautem Applaus das Band und schritt in die Empfangshalle. Ich hatte den Eindruck, es seien mehr Presseleute als geladene Gäste anwesend. Selbstverständlich durften auch sie sich am Champagner und den bereitgestellten Leckereien aus Jochens Delikatessengeschäft laben, was sie ausgiebig taten. Dafür gab es wiederum wohlwollende Kommentare. Die Werbeagentur, die Jochen für die Eröffnungskampagnen eingeschaltet hatte, war ihr Geld wert gewesen. Jetzt mussten die Gäste kommen.
„Bei der nächsten Veranstaltung will ich Geld verdienen,“ sagte Jochen grimmig.
„Bis jetzt haben sie für lau gefressen.“
Die nächste Veranstaltung sollte eine Sylvesterparty werden, wie sie die Welt noch
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