Die Qualen der Sophora
einen
flüchtig ängstlichen Blick wechselte.
„Du hast gesehen, was mir passiert ist, nicht wahr? Wie kannst du das nur
ertragen? Nico... warum hast du nichts gesagt?“ Wendy löste sich von Catalinas
Seite, um auf die kleine Sophora zuzugehen und ihr auch eine Umarmung zukommen zu
lassen. Mit einem Mal wurde ihr klar, warum sie so zurückhaltend ihr gegenüber
gewesen war. Sie hatte nicht gewusst, wie sie mit Wendy umgehen sollte. Nico
hatte ihr nicht zu nahe treten wollen. Sie war so rücksichtsvoll, lieb und gut
und süß und überhaupt.
„Es tut mir so leid, Nico!“, schluchzte
Wendy erneut unter aufsteigenden Tränen des Mitgefühls. „Du hast von uns allen
die größte Last zu tragen. Ich wünschte, es wäre dir erspart geblieben. Das
wollte ich nicht. Wirklich!“
Nico musste schon so viel sehen und ertragen. Warum musste sie jedes einzelne
Schicksal der neuen Warrior-Riege bis ins Detail kennen? Wofür war das gut?
Warum quälte man das Mädchen so? Wendys Schultern bebten schwer unter der Last
ihrer Tränen, während sie Nico weiter an sich presste.
„Niemand wollte, dass die Sophora sieht,
was dir widerfahren ist, Awendela.“ Nathan konnte nicht länger zurückhaltend
bleiben und legte seiner Tochter behutsam eine Hand auf den Rücken, um sie dazu
zu bringen, Nico nicht versehentlich zu erdrücken.
„Aber das ist nun mal ihr Schicksal. Sie wird euch den Weg weisen, wenn ihr
nicht mehr wisst wohin und sie wird euch zusammenhalten, wenn ihr glaubt, den
Weg nicht mehr gemeinsam bestreiten zu können.“
Nico fand einfach keine Worte, die
erklären konnten, warum sie ihr Wissen für sich behalten hatte. Es gehörte sich
einfach nicht, die Nase in die privatesten Gedanken von anderen zu stecken. Sie
war als Priesterin eben zur Verschwiegenheit erzogen worden. Sie wollte das
alte Leid nicht erneut heraufbeschwören, selbst wenn es über hundert Jahre her
war. Es tat Wendy immer noch weh, wenn sie sich traurig oder schwach fühlte.
Vielleicht würde Ash diese Wunden ein für alle Mal zum Heilen bringen. Nico
wünschte es ihr.
Nathan sagte genau das, was Nico in der heutigen Nacht klar geworden war. Sie
stand am Scheideweg zwischen zwei Dreigestirnen. So sollte es eben sein…
Sie konnte nicht einmal mehr weinen, auch wenn Wendys Kummer ihr in der Seele
wehtat. Aber es würde alles gut für sie werden. Ash war ein aufrechter Krieger,
der sein Leben für sie lassen würde, bevor er zuließ, dass man ihr jemals
wieder solche Schmerzen zufügte.
Wendy gab Nico schluchzend frei und
strich ihr liebevoll mit tränenverschleierten Augen über die blasse Wange.
„Du musst dir um mich keine Sorgen machen. Es war schlimm, ja, aber es ist lange
vorbei. Jetzt nimmst du meine Freundschaft doch an, oder? Du hast dich heute
Abend so schwer getan, dich mir gegenüber zu öffnen.“
„Gib ihr Zeit, Wendy!“, lenkte Nathan
abermals ein, der im Kopf der Sophora ein heilloses Durcheinander und
Verwirrtheit vorfand.
Ganz so, als könnte Nico nicht glauben, dass man trotz allem, was sie sah und
sagte, immer noch nett zu ihr war. Was verunsicherte sie so? Was schüchterte
sie dermaßen ein, das sie sich ihrer Position, die sie in den Reihen der
Krieger innehatte, immer noch nicht sicher war? Was war, wenn Catalina und er
ihre Unterhaltung über die Sophora zu schnell beigelegt und etwas übersehen
hatten? Etwas Wichtiges...
Nathan warf instinktiv einen Blick in
Damons Richtung, der immer noch halb aufgerichtet auf der Liege hinter ihnen
lag und die Gruppensitzung beobachtete. Damon gingen gerade ein paar dumme
Gedanken durch den Kopf, die Nathan zu Damons Glück nicht aufschnappen konnte
und winkte mit einem cool gedachten Grinsen zu ihm herüber, das in der Realität
allerdings nur leicht schräg wirkte.
Soulmates, pah! Jetzt kommt also auch
noch Ash unter die Haube. Das ist ja wie auf dem Heiratsmarkt hier. Wir können
gleich ein Schild vor die Fortress stellen. Nein, am besten ein Plakat über dem
Times Square: Heiße Warrior aus dem 17. Jahrhundert suchen holde Maid zum
Retten und Gerettet werden. Telefon mobil: ... Wann besinnen wir uns eigentlich
wieder auf unsere eigentlichen Aufgaben?!
Damon hatte noch gut reden. Er würde sich
vor Theron für seinen wiederholten Ausfall und der Verweigerung einer
Anweisung, die sein Leben sichern sollte, rechtfertigen müssen. Zuerst der
Unfall mit Chryses und jetzt die Explosion, bei der Ash fast ums Leben gekommen
war. Ihm blühte nichts Gutes. Das würde aber
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