Die Qualen der Sophora
Die Angst in seinen Augen konnte Damon verschleiern. Die in seinem
Herzen aber nicht. Man hätte ihn gar nicht so sehr an die Wand drücken müssen.
Damon hatte verstanden, wo sein Platz war und er hatte begriffen, was King wollte.
Kein Grund, dem Mädchen noch mehr Angst zu machen.
Nicos Schluchzen wurde
immer heftiger. Damon konnte ihr Herz auf der gegenüberliegenden Seite schlagen
hören. Wenn sie so weiter machten, bekam die Kleine noch einen Zusammenbruch.
King war endlich fertig und Damon lockerte mit einer geschmeidigen Bewegung die
verkrampften Schulterblätter. Die beiden Männer taxierten einander mit Blicken.
Damon hätte gern etwas gesagt, aber all das hätte wirklich nach der
Rechtfertigung eines Fünfjährigen geklungen. Also tat er das, was er am
zweitbesten nach Ausflüchte erfinden konnte. Er schwieg. Zähneknirschend, das
Shirt zurechtrückend und Nico und King abwechselnd mit einer verhärmt wirkenden
Miene musternd. Er konnte nur hoffen, dass das Orakel Einsicht zeigte und
ebenfalls wusste, was gut für Nico war.
„Damon?!“
-Möchtest du nicht
irgendetwas dazu sagen?-
Jagannatha stand
plötzlich bei ihnen im Flur. Er musste die ganze Zeit irgendwo dort gelauert
haben. Wie die meisten Krieger war er fähig, sich so lange unauffällig und
unsichtbar von einem Ort zum anderen zu bewegen, wie er nicht gesehen werden
wollte. Nur die anderen sechs Warrior wussten ihre Spiele bisher zu
durchschauen, Damon dagegen wusste immer noch nicht, wie Nathan oder Theron
diese optische Täuschung fertig brachten. King hatte ganz recht. Würde man die
Riege der Warrior an Damons Stand ausmachen, dann war die Welt in der Tat
verloren.
-Ich denke, es wurde
gesagt, was nötig war.-
Müde hob Damon die
Hand. Nathan nickte zustimmend. Sein Waffenbruder musste verstehen, dass er in
diesem Fall auf der Seite der Sophora stand, die immerhin zum Haus seiner
zukünftigen Frau gehörte. Eine Seite, zu der Damon eigentlich auch unbedingt
gehören wollte, es aber nicht fertig brachte, dort zu bleiben.
Er wollte schon im
Fahrstuhl, dessen Türen sich gerade öffneten, verschwinden, überlegte es sich
aber noch einmal anders. Damon ging vor der weinenden Nico in die Hocke, nahm
ihre Hand, hauchte behutsam einen Kuss auf dessen Rücken und legte sie dann
zurück in ihren Schoß, wo sie scheinbar ohne Kraft wie die Hand einer Toten
liegen blieb. King beobachtete ihn ganz genau und Damon wusste um dessen Drang,
ihn gleich noch mal gegen die Wand zu rammen. An seiner Stelle hätte er das mit
sich selbst auch getan.
Er lächelte Nico, so gut es ihm unter den Umständen möglich war, an. Sie litt
seinetwegen und ihm ging immer erst in den falschen Momenten auf, wie sehr.
„Weine nicht, kleine
Sophora!“, sagte er leise und strich mit einer Fingerspitze eine salzige Perle
ihrer Tränen fort.
„King wird sich gut um
dich kümmern. In dir steckt eine große Kriegerin. Nach der Umwandlung wirst du
bald schon so gut sein wie Wendy oder Romana. Ich hätte dich mehr ermutigen
sollen, aber ich konnte es nicht. Ich will nicht, dass du mir mein schlechtes
Handeln vergibst und es ist besser, wenn wir uns eine Weile lang nicht mehr
über den Weg laufen. Mach’s gut, Nico.“
Ein letztes Lächeln,
ein letzter Strich über die Wange, dann war Damon fort. Er brauchte den
Fahrstuhl nicht, um sich in der Fortress fortzubewegen.
„DAMON!“
Nathans Ruf verhallte ungehört im Gang. Damon war fort. Mental wäre er zu halten
gewesen, doch beim Anblick der völlig aufgelösten Nicolasa war es bestimmt das
Beste, ihn vom Haken zu lassen. So einfach wäre er sonst nicht davon gekommen.
Egal, ob er nun mit eigenen Unzulänglichkeiten kämpfte, oder nicht. Damon war
ein Warrior und hatte sich unter allen Umständen wie ein solcher zu handeln.
Nico nahm Damon nur
schemenhaft wahr, als er sich vor ihr niederließ. Allerdings spürte sie die
Berührung seiner Lippen wie ein heißes Eisen auf ihrer Haut, doch sie konnte
keinerlei Reaktion nach außen zeigen. Sie fühlte sich wie erstarrt und verlor
den Kontakt zur Realität. Sie wurde in einen undurchdringlichen Strudel
gezogen, wo Bilder von Orten und Menschen wie tanzende Schneeflocken an ihr
vorbeiwirbelten.
Seine Worte drangen zeitversetzt in ihr Bewusstsein, sie verstand ihre
Bedeutung noch nicht. Schwindel erfasste sie, weil sie zu viel sah, bis sich
ein Gesicht herauskristallisierte. Wunderschön und lieblich. Ein junges Mädchen
mit blonden Engelslocken. Als es wieder verschwand,
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