Die Qualen der Sophora
berührte ihre Lippen in einer sehr zärtlichen Geste,
ohne sie zu bedrängen. Es sollte einfach ein Gute-Nacht-Kuss sein, wie er ihn
vorhin von ihr erhalten hatte.
„Du sollst nur wissen, dass ich jederzeit für dich da bin! Egal, worum es geht!
Ich verstehe, dass du es lieber mit dir selbst ausmachen möchtest, wenn dich
die Erinnerungen quälen, aber ich bin bereit, dir jede Unterstützung zu bieten,
die ich dir geben kann. Du kannst mir mit allem vertrauen, auch mit deinem
Leben. Natürlich brauchst du Zeit… Aber ich werde da sein. Für immer!“
Er strich sanft mit der
Rückseite seiner Finger über die zarte Haut ihrer Wange und lächelte sie
zuversichtlich an, wobei sich sein Gesicht zum ersten Mal richtig entspannte
und ihm plötzlich das gelöste Aussehen von Jugendlichkeit verlieh. Man konnte
sich nun gut den Knaben mit den weißgoldenen Löckchen vorstellen, der die
beinah blendende Schönheit seiner Mutter geerbt hatte. Ein Junge, der alles
versucht hatte, seiner Mutter in ihrem Kummer Trost zu spenden, auch wenn er
nicht genau verstanden hatte, dass er ein Teil dieses Alptraums gewesen war.
Dafür würde er immer dankbar sein. Die junge Gwen hätte die Frucht aus ihrer
traumatischen Erfahrung auch voller Abscheu von sich weisen können.
Es schien beinahe zu einfach... Ihre große Liebe füreinander hatte viel mehr
gewogen als alles, was zuvor passiert war. Und so würde es auch mit Wendy sein.
Samstag, 28. Juli;
nachmittags…
Ash blieb unschlüssig
auf den Stufen der Kirche stehen und blinzelte hinter seiner blau getönten
Sonnenbrille dem Sonnenlicht entgegen. Er hatte sich sorgfältig umgezogen, da
es sich hier immerhin um eine Kirche handelte, auch wenn nicht unbedingt um das
reichste Gotteshaus in der Stadt. Das hier war Hell’s Kitchen und nicht das
Four Seasons.
Ash trug leichte, graue
Hosen und ein sommerlich luftiges schwarzes Hemd, dessen oberster Kragenknopf
nicht verschlossen war. Die Ärmel waren bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt,
weil da noch keine Tattoos zu sehen waren. Er zog die Sonnenbrille ab, um sie
in der Hemdtasche festzustecken, und betrat den Vorraum über den Haupteingang
der Kirche. Angenehm kühle Schatten empfingen ihn, dennoch zog er kurz die
Oberlippe nach oben, als wollte er ein leises Fauchen ausstoßen.
Er mied Kirchen, so gut
es ging, obwohl oder gerade weil er ein getaufter Katholik war. Das war eine
der vielen Prüfungen gewesen, die er in seiner Kindheit durchlebt hatte. Es war
eine schmerzhafte Erfahrung gewesen, aber er hatte sie überlebt. Für seine
Mutter wäre er auch durch ein Feuer gelaufen, wenn es ihre Sorgen gemindert
hätte.
Ash beäugte das kleine
Becken mit dem geweihten Wasser misstrauisch und trat dann Schritt für Schritt
heran, als hätte er Angst, dass es ihn anfallen könnte. Er tauchte die Spitzen
von Zeige- und Mittelfinger hinein und verspürte das altbekannte Kribbeln, das
vor der Taufe ein Brennen von Säure gewesen war. Er machte das Kreuzzeichen und
betrat dann das Kirchenschiff, wo ein paar Nonnen am Altar Blumen arrangierten.
Der Anblick des an das
Kreuz genagelten Jesus Christus erinnerte ihn daran, dass es meistens ein
schlechtes Ende nahm, wenn Immaculate sich dazu berufen fühlten, die Menschen
mehr als nur beschützen zu wollen. Es schien unglaublich, dass aus den
damaligen Vorkommnissen eine neue Religion entstanden war.
Eine der jungen Nonnen
fuhr zu ihm herum, als er den Gang beinahe zu Ende gelaufen war und presste
eine Hand auf das Kruzifix über ihrem Busen. Er wusste, dass er vollkommen
deplatziert wirkte, wie einem Modemagazin entsprungen, doch anders gekleidet
hätte er nur ausgesehen wie ein Gangster. Er war nicht der einzige Krieger, der
gewöhnliche Menschen sehr nervös machen konnte.
„Entschuldigen Sie die
Störung, meine Damen! Ich bin mit Reverend Drake verabredet.“
Ash versuchte sich an einem charmanten Lächeln, doch es verfehlte irgendwie
seine Wirkung. Vielleicht war es auch zu eingerostet.
„Oh! Ja, natürlich! Ich
zeige Ihnen den Weg, er ist hinten im Computerraum“, plapperte die Nonne munter
drauf los und Ash folgte ihr schweigend, nachdem er der anderen zum Abschied
zugenickt hatte.
„Ich finde mich ab hier
allein zurecht. Vielen Dank“, verabschiedete er seine Eskorte und ging das
letzte Stück allein, wo er auf der Schwelle der offen stehenden Tür stehen
blieb.
Er musste sich ein
Grinsen verbeißen, weil Nathan der Krieger war, der sich am wenigsten mit
Computern und
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