Die Queen macht Ferien (German Edition)
gehen, oder darf ich wohl ein wenig zuhören? Ich würde ganz leise sein. “
Clare errötete, da sie es nicht gewohnt war, vor Publikum zu spielen, aber sie sagte, dass es ihr nichts ausmachen würde.
„ Ich spiele nur eben diese Sonate zu Ende und dann schaue ich mir die Nachrichten im Fernsehen an. Guckst du dann mit? “
Die Queen wusste nicht so recht. Es schien für diese neue, verträumte, leicht unwirkliche Existenz hier viel angemessener zu sein, einfach die Weltpolitik und alle Sorgen der Menschheit zu ignorieren. Dieses eine Mal in ihrem Leben.
Einfach mal nicht die Nachrichten sehen – ach, oder vielleicht nur die Ergebnisse der Pferderennen. Was für ein Luxus wäre das!
Aber, andererseits, wusste sie ja, dass Edward morgen wieder da sein würde, und dass sie eine schlechte Königin wäre, wenn sie sich, sozusagen, vor ihren Schularbeiten drücken würde.
Clare spielte wieder, erst mit leichter Nervosität, dann aber zunehmend sicher. Sie hatte einen schönen runden Ton und spielte technisch und künstlerisch einwandfrei.
Die Queen, die immerhin schon viele ausgezeichnete Musiker während ihres Lebens gehört hatte, war beeindruckt und auch ein wenig neugierig. Wie kam es, dass eine junge Frau, die einen Blumenladen führte, ein Instrument so hervorragend spielen konnte? Sie sann darüber nach, dass ihre Suche nach dem „ Normalen “ sie allmählich zu der Erkenntnis verhalf, dass es gar nicht so einfach war, „ Normal “ überhaupt zu definieren. Menschen waren einfach zu komplex dafür.
Clare beendete ihre Sonate mit einem Feuerwerk von brillianten Läufen. Ein langer, klarer Ton verklang zum Schluss. Dann war es still. So still, dass sie das Ticken der Uhr auf dem Kaminsims hörten.
Die Queen schwieg andächtig, bevor sie sagte: „ Das war wirklich außerordentlich schön. Danke, dass ich zuhören durfte. “
Clare wurde rot vor Freude. „ Ich bin froh, dass es dir gefallen hat. Ich hatte schon Sorge, dass es nicht mehr klappen würde, nachdem ich so lange pausiert hatte, aber es scheint noch zu funktionieren. “
„ Das ist eine deutliche Untertreibung. Du spielst ausgezeichnet. “
„Danke. Mein Vater hat es mir beigebracht. “
Die Queen hätte zu gerne mehr gewusst, aber Clare sagte eilig: „ Oh! Wir verpassen ja die Nachrichten! “ Sie packte flink ihre Flöte weg und schnappte sich das Schaltgerät von dem Tisch neben der Chintzcouch, auf der die Queen saß. Das Bild ging an und Clare setzte sich neben sie.
„ Du musst mir sagen, ob es laut genug ist. Kannst du noch gut hören? “
Die Queen bejahte und Clare war erleichtert. Sie musste den Ton für Emily immer so laut drehen, dass es beinahe Joey weckte.
Anscheinend hatten sie die wichtigen Nachrichten schon verpasst. Es kamen nur noch einige Reportagen mit innerpolitischen Themen. Zum Schluss gab es einen kurzen Bericht darüber, dass das Königspaar nun in die Ferien nach Balmoral gefahren sei.
Das Herz der Queen machte einen Aussetzer. Auf dem Bildschirm erschien ihr Rolls Royce mit einer Fahne auf der Haube, wie er sich dem Tor ihres Anwesens näherte. Ihr Gatte winkte den Reportern zu. Dann zeigte eine andere Kamera aus einem anderen Blickwinkel die Queen, die ebenfalls aus dem Fond grüßte. Sie bemerkte, wie Clare sie von der Seite anblickte. Ihr Atem stockte. Dann lächelte Clare und sah wieder auf den Bildschirm.
„ Nun, da fahren sie also durch das Tor“, sagte Clare. „ Ich hoffe, dass sie sich richtig gut erholen. Sie verdienen es, die Armen! Ich staune immer wieder, wie die Queen das alles durchhält, bei ihrem Alter. Wenn man bedenkt, dass die meisten Leute in dieser Lebensphase schon wenigstens fünfzehn Jahre lang Rentner sind. Sie ist einfach fantastisch! “
„ Das ist sie, nicht wahr? “, stimmte die Queen ihr zu. Nur, dass sie im Augenblick eher an Helen Mirren dachte, nicht an sich selbst. Sie war begeistert, wie überzeugend ihr Double im Fernsehen aussah. Selbst der kritischste Betrachter hätte keinen Grund zum Zweifel. Sie kämmte sich mit den Fingern durch die kurzen Haare und rückte ihre neue Brille mit Zufriedenheit zurecht.
Die Wettervorhersage folgte und sie kommentierten sie auf die übliche Art. Dann schaltete Clare den Fernseher aus, streckte sich und gähnte: „ Ach, jetzt bin ich aber so richtig müde. “
„ Nun, kein Wunder. Es war ein langer Tag“, bemerkte die Queen.
Clare sah sie besorgt an. „ Ich hoffe, dass es nicht zu viel für dich war. Ich wette, du bist
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