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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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tun hatte, saß er oft auf einem dreibeinigen Schemel beim Tor; hier konnte er mit jedem Vorübergehenden plaudern, von diesem Neues erfahren, jenem einen guten Rat geben. Unter Uriels Führung war Makor reich geworden. Was die vor den Toren der Stadt lebenden Bauern an Überschüssen erzeugten, wurde mit Karawanen nach Akka befördert, während innerhalb der Mauern Handwerk und Handel blühten: Da gab es Töpfer -der Ton wurde im Wadi gefunden -, Tuchweber und -färber und Bronzegießer, die Werkzeuge und Waffen von hoher Qualität erzeugten. Das dazu notwendige Kupfer kam mit Eselskarawanen aus den Kupferminen südlich des Roten Meeres, das Zinn brachten Schiffe aus Hafenstädten Kleinasiens nach Akka. Die fertige Ware ging in viele Dörfer und Städte. In Makor benutzte niemand mehr Feuersteine.
    Die Hersteller der Töpferwaren, Tuche und Bronzegeräte arbeiteten mit Händlern zusammen, die für die Anlieferung der Rohstoffe sorgten, aber auch die fertigen Waren zur Ausfuhr übernahmen. Sie belieferten außerdem die Läden am Ort, in denen nicht nur in der Stadt gefertigte Waren verkauft wurden, sondern auch solche aus fernen Ländern, aus Zypern und Kreta im Westen, aus dem Land der Zwei Ströme und Indien im Osten. Die Bevölkerung aus Makor aß gut, sie kleidete sich gut, betete zu ihrer göttlichen Dreieinheit, die sie beschützte, und erfreute sich einer Herrschaft, die mindestens ebensogut war wie alle anderen im weiten Gebiet zwischen Mesopotamien und Ägypten.
    Noch gab es keine Münzen. Aber man war schon über den einfachen Tauschhandel hinaus: Gold und Silber dienten nach Gewicht als Zahlungsmittel auch über weite Strecken. Eine Post gab es ebenfalls noch nicht; immerhin brachten Boten regelmäßig Briefe von Stadt zu Stadt und von Fluß zu Fluß. Uriel beherrschte die Schrift dreier Sprachen: Akkadische Keilschrift, bevorzugt bei Diplomaten und Händlern, ägyptische Hieroglyphen für seine Berichte an die Regierung sowie die neue, in Nordkanaan gebräuchlich gewordene Schrift (aus der sich schließlich das Alphabet entwickeln sollte). Auf seinem Schreibtisch lagen mehrere ägyptische Skarabäen; er benutzte sie zum Signieren seiner Tontäfelchen oder zum Stempeln der Henkel frisch geformter Maßgefäße für Wein und Getreide. Bücher besaß er nicht, wohl aber eine Sammlung von Tontäfelchen, auf denen Wichtiges festgehalten war, und er kannte viele gereimte Sagen aus Mesopotamien und Kanaan auswendig, vor allem aber die in Makor entstandene Dichtung von Baal und Astarte in der Unterwelt, ohne zu ahnen, daß hier von Erlebnissen seiner Vorfahren erzählt wurde. Hätte ihn jemand über diese Tatsache aufgeklärt, so wäre er nur in Verlegenheit geraten, denn er war ein Mann bar jeder Eitelkeit und hätte es weit von sich gewiesen, mit den Göttern verwandt zu sein. Auch seinen eigenen Haushalt leitete Uriel mit Klugheit und Umsicht. Er hatte seine Freude daran, wenn seine Felder mehr Weizen trugen oder seine Oliven besseres Öl erbrachten. Nur auf eines war er eitel - auf seinen einundzwanzigjährigen Sohn Zibeon. Eine Zeitlang hatte es allerdings ausgesehen, als könne der dunkelhaarige, stattliche junge Mann Schwierigkeiten machen. Er hatte nämlich versucht, sich Mädchen aufzudrängen, deren Eltern ihre Töchter nicht schon mit vierzehn Jahren heiraten lassen wollten, wenn dies auch in Bauernfamilien durchaus üblich war. Doch nachdem Uriel ihm ernstlich ins Gewissen geredet hatte, nahm sein Sohn sich ein Hyksos-Mädchen als Geliebte, und der Ärger war vergessen. Inzwischen hatte der Statthalter sich in den Familien seiner Freunde umgesehen, und es hieß allgemein, sein Sohn werde bald heiraten.
    An jenem Frühlingstag des Jahres 1419 v. Chr. als Zadoks Hebräer sich Makor von Osten her näherten, saß Uriel auf seinem dreibeinigen Schemel beim Haupttor. Von hier aus konnte der Statthalter nicht nur jeden sehen, der über die Rampe kam, sondern auch das bunte Menschengewimmel in der Hauptstraße überblicken. Da gab es Hyksos-Krieger, die nach einem Feldzug hier hängengeblieben waren, ägyptische Ansiedler, ein paar Neger, aber auch einige Hebräer, die aus dem Norden stammten, und dazu noch Männer und Frauen aus gut einem halben Dutzend anderer Völker von der Küste und aus der Wüste. Selbst die eigentlichen Kanaaniter waren von sehr unterschiedlicher Herkunft. Alle aber lebten sie hier duldsam neben- und miteinander. Ein kleiner, dunkelhäutiger junger Mann mit scharfer Hakennase löste

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