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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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einzubiegen auf den östlichen Hang der Hörner von Hittim zu, das flache Gebiet zu durchqueren und dann in die Berge vorzustoßen, auf denen Safad lag. Das bedeutete einen Marsch von dreiundvierzig Kilometern, der ständig aufwärts führte. Die Aussichten auf Erfolg waren nicht gut, denn es mußten vier Hauptstraßen gekreuzt werden, das Gelände war schwierig, und alles mußte bis vier Uhr dreißig vorbei sein, denn dann wurde es hell. Wurden sie vom Tageslicht überrascht, konnten die Araber sie einen nach dem anderen abschießen, wie die fünfunddreißig Juden bei Hebron. Aber Gottesmann hatte Bagdadi aus guten Gründen als dritten Mann ausgesucht. Der dicke Iraker war ein erfahrener, tapferer Soldat. Er kannte das Gelände gut und hatte geradezu einen Instinkt dafür, wo der Feind seine Fallen aufstellt. Im Geschwindschritt führte Bagdadi seine Mannschaft rasch vom See Genezareth fort. Ilana trug ein Gewehr und viel Munition; dennoch fiel es ihr nicht schwer, mit den Männern Schritt zu halten. Gottesmann sah, wie sie mit zurückgeworfenem Kopf und fest zugekniffenen Lippen neben ihm herlief, und er fühlte heiße Liebe für diese außergewöhnliche Frau in sich aufsteigen, die zu normalen Zeiten auf der Universität gewesen wäre.
    Geschickt brachte Bagdadi seine Mannschaft über die ersten beiden Straßen, die von Westen her nach Tiberias führten; dann begann der schwierige Aufstieg zu den Hörnern von Hittim. Als die drei das alte Schlachtfeld der Kreuzritter erreicht hatten, konnten sie unter sich die schlafende Stadt Tiberias sehen, die von anderen Juden in einigen Tagen genommen werden sollte. Gottesmann sprach kurz davon, worauf Ilana flüsterte: »Der HErr gebe ihnen den Sieg.« Aber da hatte Gottesmann Tiberias schon wieder vergessen, und im Weitermarschieren dachte er an die Schlacht von Hittim, die das historische Geschehen in diesem Teil der Welt so sehr beeinflußt hatte. Eine einzige falsche Meinung kann eine Nation das Leben kosten, dachte er. Ist der Versuch, Safad einzunehmen, solch ein Fehler? Bagdadi war ganz offensichtlich völlig unbeeindruckt von dem geschichtlichen Ort und drängte weiter, nach Norden zu.
    »Langsam!« flüsterte Bagdadi. Die drei Juden erstarrten. »Hinlegen!« Auf der dritten Hauptstraße fuhr ein englischer
    Panzerspähwagen vorbei. Sein Scheinwerfer tastete ziellos über die Felder. Gottesmann spürte, wie gut ihm diese unfreiwillige Ruhepause tat. Als das Licht über sie hinwegglitt, sah er, daß Ilana die Augen geschlossen hatte und tief atmete. Sobald der Wagen vorbei war, flüsterte Bagdadi: »Wir haben Verspätung.« Beim Aufstehen mußte Gottesmann lächeln: Seine Frau strich sich automatisch den Sand von der Khakibluse und dem kurzen Khakirock.
    Jetzt ging es in gleichmäßigem Geschwindmarsch auf ziemlich ebenem Weg den Bergen entgegen, westlich der am See entlangführenden Straße von Tiberias nach Safad. Nach Mitternacht war es nun, und unter ständigem Antreiben holte Bagladi etwas von der verlorenen Zeit wieder ein. Als sie die düsteren Berge erreichten, auf denen Safad lag, wußten sie, daß sie wenigstens eine Chance hatten, den Palmach-Stützpunkt vor Sonnenaufgang zu erreichen. Aber jetzt wurde der Marsch hart, denn Safad lag über tausend Meter höher als Kefar Kerem, und sie mußten sich ihren Weg über steinige Felder suchen, obwohl die Straße so verführerisch nahe lag. Aber keiner schimpfte, denn alle drei fühlten sie die noch schlafende Sonne in ihrem Rücken - wenn sie aufging, durften sie nicht von ihr überrascht werden.
    Jetzt waren sie mitten in arabischem Gebiet; links und rechts lagen kleine Dörfer. Bagdadi zeigte, was er konnte, indem er das Schußfeld etwaiger arabischer Scharfschützen geschickt umging. Er ließ halten und flüsterte: »Von hier bis zur letzten Straße wird’s schwierig. Das Überqueren wird noch schlimmer. Dann kommt der sehr steile Aufstieg. Wenn wir auf Araber stoßen.«
    »Nicht schießen«, zischte Gottesmann warnend. »Auf keinen Fall schießen.« Mit diesem Befehl richtete er sich mehr an Bagdadi als an Ilana, denn er wußte, daß sie in solchen Situationen sehr kalt blieb.
    »Nicht schießen«, wiederholte Ilana, die wußte, daß ihr Mann sich darüber Sorgen machte.
    »Nicht schießen«, versprach Bagdadi. Dann stand er rasch und mit gesenktem Kopf auf. Es wurde ein anstrengender Weg.
    Sie passierten ein arabisches Dorf und noch eines, aber sie hörten nur Hunde bellen. Dann kam die Straße in Sicht; sie

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