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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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verlegen über seine ungewöhnliche Heftigkeit, und stellte die Bücher zurück an ihren Platz. Dabei sah er Schwartz, der vom Tell herab kletterte, wo er die Ausgrabungsergebnisse des Tages besichtigt hatte. »He, Schwartz!« rief Eliav. Als der dunkelhäutige Sekretär ins Zelt kam, fragte er ihn: »Wie weit ist es von hier bis zur feindlichen Grenze im Norden?«
    »Sechzehn Kilometer.«
    »Und im Osten bis zu den Syrern?«
    »Einundfünfzig.«
    »Und nach Westen, bis dorthin, von wo Ägypten uns anzugreifen versucht hat?«
    »Dreizehn.«
    »Wenn die Feinde so nah sind, wenn sie uns täglich im Rundfunk drohen - haben Sie da nicht Angst?«
    Der zähe Israeli schnaubte. »Seit ich in Israel lebe, vergeht keine Woche, in der nicht wenigstens einmal in den Zeitungen steht, daß Ägypten uns mit den Raketen ausradieren will, die ihm seine deutschen Wissenschaftler bauen. Oder daß Syrien uns massakrieren oder eine arabische Armee uns ins Meer treiben will.« Er zeigte mit dem Kinn auf Cullinane und fügte gelassen hinzu: »Wenn ich leicht Angst bekäme, wäre ich nicht hier. Ich fühle mich hier viel weniger bedroht als je in Deutschland.«
    Wenn ein Mann sieben Tage und Nächte bei einer Tempelprostituierten gelegen hatte - denn eine solche war Libamah, mochte man sie noch so oft als Priesterin bezeichnet haben -, kehrte er zu seinen Frauen zurück und vergaß das Mädchen. (Oft war es schwanger; ihr Kind wurde gleich nach der Geburt dem Melak geopfert.) In diesem Jahr jedoch sollte alles anders kommen. Denn Urbaal verließ den Tempel, entflammt von unstillbarer Leidenschaft für Libamah. Was für ein betörendes, was für ein kluges Mädchen! Wie lustig hatte Libamah von ihrem Leben im Norden erzählt und von ihrem schlauen Vater, der die Leute dort mit allerlei Kniffen zu betrügen wußte - und vor allem wie drollig hatte sie es erzählt, denn sie beherrschte die Sprache von Makor nur unvollständig. Was für eine Gabe, andere Menschen nachzuahmen! Urbaal hatte die Krieger, von denen sie gefangengenommen und mitgeschleppt worden war, leibhaftig zu sehen geglaubt, so lebhaft hatte Libamah sie ihm vorgespielt, auch jene, die sie verführen wollten, wenn die anderen nicht hinsahen. Und wie spaßig war es gewesen, wenn sie mit rauher Stimme die Lehren der Priester wiedergab, die ihr eingetrichtert worden waren: »Lege die Fingerspitzen über deinen Schenkeln zusammen und halte scheu die Augen gesenkt! Wenn du zur Seite blickst, so versuche, das Kinn gegen die Schulter zu drücken.« Welch Entzücken, ihr zuzusehen, wenn sie zeigte, wie man ihr die sinnlichen Tänze beigebracht hatte. Urbaal war hingerissen: Wie gescheit! Und wie begabt für das Liebesspiel! Kein Wunder, daß er ihr völlig verfallen war.
    Sie dagegen hatte schnell erkannt, daß dieser stramme Bauer ein ganz durchschnittlicher Mann war, zärtlicher als die meisten, die sie hatten besitzen wollen, und gewiß ehrlicher als ihr Vater. Eines Morgens sagte sie beiläufig: »Ich bewundere dich, weil du nicht eitel bist, weil du nicht übertreibst und weil du nicht allzu gemeine Gedanken hast.« Ihre Worte erregten ihn - und zugleich erstaunten sie ihn. Er lachte laut über ihre Geschichten, er war nicht gekränkt, wenn sie ihm graue Haare auszupfte oder wenn sie nachahmte, wie er die Stufen hinaufgesprungen war, um sie zu packen. In den Augenblicken, in denen sie sich spielerisch in Urbaal verwandelte, wurde sie zu einem linkischen, aber liebenswerten Bauern, und er glaubte dann, sie tue das, weil sie ihn begehre. Daß sie beim Liebesspiel glühend leidenschaftlich war, bestärkte ihn nur in diesem Glauben. Hätten die Priester während der Stunden, die Libamah und Urbaal im heiligen Gemach verbrachten, die beiden belauschen können, sie wären bekümmert gewesen, denn da war nichts von einem erhabenen Sinn für den Kult, kein männliches Prinzip, das die Magd der Astarte fruchtbar machte; da waren nur zwei einfache Menschen, die sich miteinander vergnügten und viel dabei zu lachen fanden. Und dann kam der Tag der Trennung. Für Urbaal war es selbstverständlich geworden, daß es keine endgültige Trennung sein durfte, denn unter Schutz und Leitung der Liebesgöttin selbst hatte er sich grenzenlos verliebt. Er küßte das Mädchen zum Abschied und gab ihr, die überrascht aufblickte, mit bebender Stimme das Versprechen: »Du wirst die meine werden.«
    Mehr im Spaß als aus Liebe fragte sie: »Wie?« Er aber begriff nicht, daß sie ihn verspottete. »Ich weiß

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