Die Quelle
verstehe. Die eingeschworene Glaubensgemeinde. Und mit diesem Mann haben Sie dann Ihre Forschungen aufgenommen.«
»Genau. Zunächst hatte es etwas Spielerisches. Wir probierten, stellten alte Experimente nach, zerbrachen uns den Kopf über wundersame Ergebnisse und totale Fehlschläge. Und irgendwann hatte ich dann die zündende Idee.« Kempers Stimme troff vor Stolz. Er hielt inne und schüttelte den Kopf. »Nein. Nicht irgendwann. Es war auf dem Klo.«
Der Kanzler lachte scheinbar amüsiert auf. »Und worin bestand die zündende Idee?«
Ruckartig hob Kemper den Kopf. Dann kicherte er.
»Auch Sie werden mich nicht überrumpeln. Auf die Frage warte ich schon die ganze Zeit. Nein, so nicht.«
»Hier will Sie niemand überrumpeln«, mischte sich Hagen ein.
»Man muss es ja versuchen, nicht wahr!« Der Kanzler griente. »Erzählen Sie erst einmal weiter.«
Für einen Moment starrte Kemper nachdenklich den Kanzler an, dann nickte er, als wäre dessen Attacke ein verzeihlicher Versuch gewesen.
»Die Ergebnisse waren phänomenal. Wir dokumentierten alles. Wir haben die Ergebnisse sogar notariell festhalten lassen, damit mir die Erfindung nicht gestohlen werden kann.«
»Hatten Sie Anlass zur Sorge?«, fragte der Kanzler.
»Muss ich Ihnen das erklären?«, fragte Kemper ungläubig. »Aber gut. Meine Erfindung stellt die gesamte Welt der Energie auf den Kopf. Genug Elektrizität für die ganze Welt, um alle anderen Energieträger abzulösen. Ohne Atomkraftwerke, ohne Strahlung. Milliarden und Abermilliarden werden frei für andere Projekte. Aus ein paar Tropfen Wasser unbegrenzte Energie. Der historische Irrtum, der mit der Nutzung der fossilen Brennstoffe begann, wird korrigiert. Der CO2-Ausstoß wird dramatisch reduziert. Fragen Sie doch Ihre Experten.«
»Weil ich Bundeskanzler bin, bin ich noch lange nicht doof. Das habe ich längst getan.« Arndt Fischer ließ sich Rotwein nachschenken. »Welche Rolle spielen Ihre Aufzeichnungen?«
»Kennen Sie sich im amerikanischen Patentrecht aus? Nein?« Kemper warf sich in seinem Stuhl zurück, trank einen Schluck Wasser. »Dort gilt das Ersterfinderprinzip. Jemand meldet ein Patent an, und innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung kann man dieses Patent noch angreifen, indem man beweist, dass man die Erfindung früher gemacht hat.«
Hagen wunderte sich über den jungen Wissenschaftler. Kemper schien alle Bedenken überwunden zu haben und berauscht von seiner eigenen Wichtigkeit. Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus.
»Ihre Unterlagen belegen also den Zeitpunkt Ihrer Erfindung.«
»Genau. Denn wenn jetzt irgendjemand kommt und die Kalte Fusion als Patent anmelden will, werde ich die älteren Rechte beweisen können. Und deshalb will man sie mir abjagen ... Irgendjemand hat von meinen Ergebnissen erfahren. Aus der Uni, vom Notar, was weiß ich. Jedenfalls wurde ich beobachtet. Mein alter Freund ...«
»... Sie meinen den Assistenten dieses Professors ...«
»... hat mich gewarnt, bevor sie zuschlugen. Im letzten Moment. Ich konnte fliehen. Nach Mexiko. Zur deutschen Botschaft.«
»Das haben wir überprüft.« Sieber nickte. »Sie haben dort erzählt, Sie wären im Urlaub in Mexiko ausgeraubt worden. Mit Hilfe der Botschaft sind Sie nach Frankfurt gereist.«
»Und von dort zu meiner Großmutter nach Frankreich.«
»Kennt sie Ihre Geschichte?«
Kemper schüttelte den Kopf.
»Seit sie wusste, dass ich an der Kalten Fusion forschte, hat sie mich immer nur gewarnt. Ihr eigenes Schicksal wird sie bis zu ihrem Lebensende nicht loslassen.« Kempers rechte Hand huschte wie ein Scheibenwischer durch die Luft. »Sie hat mir geholfen, mich an Professor Münch vermittelt. Über Timo Moritz, der in der Internationalen Energieagentur in Paris arbeitet.«
»Das will ich jetzt aber genauer wissen«, mischte sich Hagen ein. »Münch gehört zur Elite der deutschen Kernphysiker. Ich habe mich immer gewundert, dass er Sie unterstützte. Das hätte seinen wissenschaftlichen Tod bedeuten können.«
»Professor Münch war Mitarbeiter im Team meiner Großmutter, als sie seinerzeit an der Kalten Fusion forschte.« Kemper lachte. »Das hat er danach gut ausgeblendet in seinem Lebenslauf. Münch hat danach zwanzig Jahre an der Heißen Kernfusion gearbeitet. Ohne Erfolg. Und im Hinterkopf hatte er immer noch die faszinierende Idee der Kalten Fusion.«
»Und als Sie kamen ... mit Ihren Ergebnissen ...« Hagen begriff allmählich, was seinen Freund getrieben hatte.
»Da ist
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