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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Schomburg
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nicht einfach über den Haufen.« Abeking nahm kurz den Zigarrenstummel aus dem Mund. »Santos wird längst unten sein. Gleich ist das Spiel zu Ende.«
    Duvall juckte es in den Fingern, einfach Salve um Salve in die Kabine zu feuern. Aber Abeking wollte das aus irgendwelchen Gründen nicht. Er hielt nicht mal eine Waffe in der Hand, so sicher schien er, dass Santos das Problem lösen würde.
    Der schneidende Wind durchdrang scheinbar ohne Mühe die Kleidung, ließ Duvall frösteln und schmerzte an seinen Ohren. Wenn er abflaute, hinterließ er Inseln der Stille, um sie kurz darauf in tosendem Gebrüll zu ertränken.
    »Ich lenke sie weiter ab. Sie gehen jetzt da runter.« Abeking nahm Duvall den Scheinwerfer aus der Hand. Der Lichtstrahl tanzte kurz durch die Dunkelheit, dann richtete er ihn wieder auf den Jet aus.
    »Die sind doch nicht blöd. Eben waren wir noch zu zweit ...«
    »Tun Sie, was ich sage!«, brüllte Abeking gegen den Wind an. »Und wenn Sie Santos an der Böschung treffen, treten Sie ihm von mir in den Arsch! Los!«
    Duvall drehte sich ab.
    »Zu spät.«
    »Wo ist meine Frau?«, schrie Benn und richtete die Pistole auf den Entführer.
    Duvall sah zum Auto, dann huschte ein siegessicheres Grinsen über sein Gesicht.
    »In einem sicheren Versteck.«
    Der heulende Wind verwirbelte die Worte wie Papierschnipsel.
     
    »Wo ist meine Frau?«
    Das hämische Grinsen Duvalls verriet Benn, was der Entführer dachte. Wenn er schoss, würde er nicht erfahren, wo seine Frau versteckt war.
    Der Entführer hob langsam seine Pistole. Zentimeter um Zentimeter. Benns Waffenlauf schwenkte zu dem Mann mit dem Zigarrenstummel, zeigte auf dessen Bauch.
    »Er ist tot, wenn Sie die Waffe nicht fallen lassen«, krächzte Benn mit heiserer Stimme gegen den Wind an.
    »Sie auch. Und wenn nicht - Sie werden Ihre Frau nie finden.« Die Waffe Duvalls wanderte immer weiter, zielte bereits auf Benns Kniescheiben.
    »Er stirbt zuerst.« In Benns Gedanken schwappte plötzlich die grausame Wahrheit. Er musste schießen, um sich selbst zu retten, und würde seine Frau nie wiedersehen. Tränen drangen ihm in die Augen.
    Er bettelte in Gedanken um ihre Verzeihung.
    Er würde sie ihrem Schicksal überlassen.
    Benn richtete die Pistole wieder auf Duvall.
    »Anders entschieden?« Duvall lachte und zielte auf Benns Bauch. »Sie müssen jetzt schießen.«
    Benn spürte den Druckpunkt, aber so sehr er sich auch anstrengte, sein Finger gehorchte ihm nicht.
    Du musst hier aufgeben, dann gibt es vielleicht noch eine andere Chance, dachte er und ließ die Waffe fallen.
     
     

Fünfter Tag
     
    FREITAG
    28. OKTOBER 2016
     

Kapitel 61
    AUTOBAHN A 20
     
    Sie hockten gefesselt in der engen Kabine und warteten auf das, was kommen würde. Jeder hing seinen Gedanken nach. Als der Winzer Benn erneut mit einem hasserfüllten Blick streifte, hielt er es nicht mehr aus.
    »Sagen Sie schon, was Sie sagen wollen!«, raunzte Benn. »Es lag an mir. Ja, ich weiß das. Aber wenn mich deshalb jemand verurteilen darf, dann ist das meine Frau!«
    Die beiden Männer hatten mit der Drohung, ihn zu erschießen, den Widerstand der Kommissarin gebrochen.
    Benn sah schuldbewusst in die Runde. »Aber ich habe sie nicht einfach so niederschießen können.« Er war verzweifelt. Er konnte nur noch darauf hoffen, dass der Entführer und dieser Unbekannte das Versteck seiner Frau verrieten und mit den Unterlagen verschwanden. Eine andere Chance gab es nicht.
    »Wer kann das schon?«, erwiderte die Kommissarin. »Die meisten Menschen haben da eine natürliche Sperre. Man schießt nicht einfach jemanden über den Haufen.«
    »Bisher habe ich mich immer wehren können.«
    »Mit den Fäusten, den Händen. Aber eine Waffe abzudrücken, das ist etwas anderes. Sie konnten es schon in Wieck und auf dem Flughafen in Avignon nicht.«
    »Aber Sie konnten es.«
    Die Kommissarin schnaufte.
    »Das hört sich so an, als würde ich jeden einfach so anschießen. So ist das aber nicht. Das waren Notsituationen. Und außerdem bin ich darauf trainiert, es zu tun. Trotzdem belastet es mich. Wissen Sie eigentlich, wie viel Psychologen zu tun haben, wenn Polizisten einen Menschen anschießen oder töten?«
    »Ich habe noch nie darüber nachgedacht.«
    »Wer tut das schon? Polizisten sind Menschen wie alle anderen. Mit unterschiedlichem Selbstvertrauen, Ängsten, Zweifeln und Verarbeitungsmechanismen. Die meisten Polizisten schießen in ihrem ganzen Berufsleben auf keinen Menschen. Und wenn doch,

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